Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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Jetzt schien der andere, ob meiner Hartnäckigkeit die Geduld zu verlieren.<br />
Er stand auf, lief um den Tisch herum und gab mir links und rechts ein<br />
paar Ohrfeigen. Ich dachte bloß, du lieber Gott, jetzt geht´s los! Bis jetzt<br />
war es ja nur Kinderspiel. Aber nichts dergleichen! Ganz ruhig, als ob<br />
nichts geschehen war, setzte er sich wieder und wiederholte seine Frage,<br />
mit der gleichen Antwort meinerseits. Dann rief er einen Wächter und befahl:<br />
„Holen Sie mal den L. - aus Zelle 77, glaube ich.“<br />
Wir warteten. Einige Augenblicke später trat der bewusste L. ein. Seit<br />
dem einzigen Mal, als ich ihn mit Christiaan in Bordeaux getroffen hatte,<br />
war er sehr verändert. Unrasiert, nachlässig gekämmt, mit einem Seemannspullover<br />
bekleidet.<br />
„So, jetzt sag mal dem Herrn, was du ihm von dem de Jong bestellen<br />
solltest.“<br />
Ich sprach absichtlich schlechter französisch als ich es konnte und stotterte<br />
irgendetwas von einem Gruß von Herrn de Jong.<br />
Der Inquisitor zu L.: „Wer ist dieser de Jong?“<br />
L. runzelte die Stirn: „Je ne connais pas, Monsieur.“<br />
„Un émissaire hollandais?“<br />
Das Erstaunen war beiderseitig. Natürlich, denn de Jong existierte nur in<br />
meiner Phantasie. Ich sah aber die Gefahr näher kommen. Da donnerte der<br />
vom SD 36 auch schon los:<br />
„Also einer von euch beiden lügt hier, entweder du oder er!“ Und er<br />
wiederholte noch einmal eindringlich auf Französisch seine Frage.<br />
„Na, das verstehe ich nicht!“, begann ich, um mich in ein so glaubwürdiges<br />
Licht wie möglich zu setzen, „der de Jong sagt mir, bei L. in Peyrehorade<br />
kannst du Grüße bestellen, und der L. weiß von nichts! Gibt es vielleicht<br />
mehrere Familien L. in Peyrehorade?“<br />
Der Deutsche fragte dieses Herrn L. auf Französisch. Selbstverständlich<br />
nicht. Wir beide hatten natürlich von Anfang an so getan, als ob wir einander<br />
zum ersten Mal im Leben sähen. L. bekam eine Zigarette angeboten und<br />
konnte dann gehen. Danach ging die Fragerei wieder los. Woher ich das<br />
Geld hätte? Es handelte sich um 5.000 Francs.<br />
Ich erwiderte, dass es eben von diesem de Jong sei.<br />
36 Der Sicherheitsdienst (SD) war ein Teil des NS-Machtapparates, dem im Zuge der zunehmenden<br />
Verflechtung von Partei und Staat die Überwachung der politischen Gegner übertragen<br />
worden war. (Ch.Fl.)<br />
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