09.11.2012 Aufrufe

Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Jetzt schien der andere, ob meiner Hartnäckigkeit die Geduld zu verlieren.<br />

Er stand auf, lief um den Tisch herum und gab mir links und rechts ein<br />

paar Ohrfeigen. Ich dachte bloß, du lieber Gott, jetzt geht´s los! Bis jetzt<br />

war es ja nur Kinderspiel. Aber nichts dergleichen! Ganz ruhig, als ob<br />

nichts geschehen war, setzte er sich wieder und wiederholte seine Frage,<br />

mit der gleichen Antwort meinerseits. Dann rief er einen Wächter und befahl:<br />

„Holen Sie mal den L. - aus Zelle 77, glaube ich.“<br />

Wir warteten. Einige Augenblicke später trat der bewusste L. ein. Seit<br />

dem einzigen Mal, als ich ihn mit Christiaan in Bordeaux getroffen hatte,<br />

war er sehr verändert. Unrasiert, nachlässig gekämmt, mit einem Seemannspullover<br />

bekleidet.<br />

„So, jetzt sag mal dem Herrn, was du ihm von dem de Jong bestellen<br />

solltest.“<br />

Ich sprach absichtlich schlechter französisch als ich es konnte und stotterte<br />

irgendetwas von einem Gruß von Herrn de Jong.<br />

Der Inquisitor zu L.: „Wer ist dieser de Jong?“<br />

L. runzelte die Stirn: „Je ne connais pas, Monsieur.“<br />

„Un émissaire hollandais?“<br />

Das Erstaunen war beiderseitig. Natürlich, denn de Jong existierte nur in<br />

meiner Phantasie. Ich sah aber die Gefahr näher kommen. Da donnerte der<br />

vom SD 36 auch schon los:<br />

„Also einer von euch beiden lügt hier, entweder du oder er!“ Und er<br />

wiederholte noch einmal eindringlich auf Französisch seine Frage.<br />

„Na, das verstehe ich nicht!“, begann ich, um mich in ein so glaubwürdiges<br />

Licht wie möglich zu setzen, „der de Jong sagt mir, bei L. in Peyrehorade<br />

kannst du Grüße bestellen, und der L. weiß von nichts! Gibt es vielleicht<br />

mehrere Familien L. in Peyrehorade?“<br />

Der Deutsche fragte dieses Herrn L. auf Französisch. Selbstverständlich<br />

nicht. Wir beide hatten natürlich von Anfang an so getan, als ob wir einander<br />

zum ersten Mal im Leben sähen. L. bekam eine Zigarette angeboten und<br />

konnte dann gehen. Danach ging die Fragerei wieder los. Woher ich das<br />

Geld hätte? Es handelte sich um 5.000 Francs.<br />

Ich erwiderte, dass es eben von diesem de Jong sei.<br />

36 Der Sicherheitsdienst (SD) war ein Teil des NS-Machtapparates, dem im Zuge der zunehmenden<br />

Verflechtung von Partei und Staat die Überwachung der politischen Gegner übertragen<br />

worden war. (Ch.Fl.)<br />

140

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!