Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
das magere, bleiche Gesicht. Auf jeden Fall versprach er mir, nachdem er<br />
noch einige technische Dinge von mir wissen wollte, dass ich „von ihm<br />
hören“ würde. Da konnte ich ja schon zufrieden sein, aber viel war es nicht,<br />
was ich mir unter „hören“ vorstellte. Den Rest des Tages verbrachte ich bei<br />
meinen Verwandten Berni und Fritz und meinem einzigen aus der Schulzeit<br />
übrig gebliebenen Freund <strong>Hans</strong> Bloemendal. Das Gleiche am nächsten Tag,<br />
einem Sonntag, und dann kehrte ich abends, etwas aufatmend, nachdem ich<br />
den Amstelbahnhof hinter mir hatte, nach Gouda zurück.<br />
Die alltägliche Arbeit als Hausknecht nahm mich wieder ganz in Anspruch.<br />
Da es weiter ruhig blieb, wurde man selbst etwas optimistischer und<br />
verlor manchmal das Bewusstsein der drohenden Gefahr. Weiterhin hörte<br />
ich von Bekannten, die eines Tages von der Bildfläche verschwanden, also<br />
„untertauchten“, und man hörte Namen von Menschen, die wieder auftauchten,<br />
eben weil sie von der Polizei geschnappt worden waren. Und das<br />
kam dank des seit langem von den Deutschen aufgebauten Überwachungs-<br />
und Kontrollnetzes über Holland nicht selten vor. Sobald ich hörte, dass<br />
irgendeiner verschwunden war, dachte ich an meinen Besuch in der Tolstraat<br />
in Amsterdam, denn ich hörte inzwischen nichts von Kurt Hannemann.<br />
Anderseits, wenn ein Bekannter erwischt worden war, pries ich mich<br />
heimlich doch glücklich, dass ich noch ein vollkommen legales Leben führte.<br />
Aber keine Angst, man vergaß mich nicht! Eines Tages, ich machte<br />
gerade die großen Speisekessel sauber, worin ich Spezialist war, sah ich,<br />
dass Lilo, die den Posten der Haushälterin innehatte, hinausgerufen wurde,<br />
und ich ahnte sofort, dass der Besucher sicher auch zugleich für mich kam.<br />
Alsbald kehrte Lilo zurück und rief mich tatsächlich hinaus. Ich stand dann<br />
einem blonden Jungen, einem sogenannten arischen Typ gegenüber, den ich<br />
schon einmal zuvor gesehen hatte, als er zu Besuch bei Lilo war.<br />
Wir kamen etwas ins Gespräch, und er teilte mir mit, dass er meine genauen<br />
Personalien haben müsse und fragte auch, wie es mit der Bezahlung<br />
eines eventuellen Personalausweises stünde. Ich sagte ihm, dass mein Onkel<br />
für die Kosten aufkommen würde, und Norbert Klein - so hieß er - schrieb<br />
alles gewissenhaft auf. Er hatte es ziemlich eilig und ging bald. Da schien ja<br />
mein Plan feste Formen anzunehmen, jubelte ich innerlich. Anscheinend<br />
genügte es, wenn Kurt Hannemann nur mit einem Ohr und geistesabwesendem<br />
Gesicht zuhörte! Ich wusste vor lauter Freude nicht, was tun! Fast hatte<br />
ich nämlich nicht mehr an „Untertauchen“ gedacht. Es war ja auch so ruhig<br />
die ganze Zeit. Zu ruhig fast!<br />
56