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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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Von Menachem wussten wir, dass er die Absicht hatte, sich morgen, am<br />

Sonntag, Brüssel anzusehen. Wir dagegen blieben aus Sparsamkeitsgründen<br />

mit Willy in Antwerpen.<br />

Am Abend gingen wir alle ins Kino, und anschließend aßen wir Eis von<br />

Vorkriegsqualität, das auch entsprechend teuer war. Gegen Mitternacht<br />

gingen wir endlich schlafen, zum ersten Mal außerhalb Hollands.<br />

Wir hatten heute Sonntag. Menachem war, als wir aufwachten, schon<br />

auf dem Weg nach Brüssel und plante, abends zurückzukommen. Willy<br />

meldete sich auch nach einiger Zeit, denn er musste wieder zur Grenze<br />

fahren, um dort drei Kandidaten abzuholen, die mit uns zusammen nach<br />

Frankreich gehen sollten. Aber bis er seine Toilette gemütlich beendet hatte,<br />

war es zu spät, um noch den Zug zu erreichen. Er ging zwar doch zum<br />

Bahnhof, aber man hatte eben nicht auf ihn gewartet. Inzwischen hatten wir<br />

uns fertig gemacht und gingen hinaus auf die sonntäglichen Straßen der<br />

Stadt. Wir stiegen auch auf den „Meir“, das bekannte Hochhaus, und hatten<br />

eine wunderbare Aussicht auf Antwerpen und Umgebung. Es gab dort oben<br />

wunderbares Gebäck zu kaufen, aber zu entsprechend unerschwinglichen<br />

Preisen, genau wie in den Delikatessenläden, wo man alles kaufen konnte,<br />

was sich der Gaumen wünschen mochte: Weintrauben, Schokolade, Nüsse,<br />

Feigen.<br />

Wir standen mit vor Staunen offenem Munde vor diesen Köstlichkeiten<br />

ebenso wie vor den Schildchen, die den Kaufpreis zeigten. Wir sahen uns<br />

dann im Laufe des Tages noch einige Sehenswürdigkeiten der Stadt an. Ich<br />

kannte sie noch alle von meiner Radfahrt durch Belgien im Jahre 1939, und<br />

sie erfüllten mich mit einer gewissen Wiedersehensfreude, obwohl sich das<br />

ganze Stadtbild durch die Anwesenheit so vieler deutscher Uniformen und<br />

Posten geändert hatte. Das Einzige, was wir dann kauften, war das herrliche<br />

Eis. Abends aßen Zippi und ich in einer billigen Kneipe, nur um etwas<br />

Warmes zu uns zu nehmen. Dann legten wir uns aus Langeweile und Müdigkeit<br />

aufs Bett und erwarteten die Rückkehr von Menachem und Willy.<br />

Als diese dann kamen, waren wir gerade in einen Halbschlummer gefallen.<br />

Mit ihnen zusammen waren das Ehepaar Bonn, damals unter dem Namen<br />

Waasdorp, und ein Junge aus Amsterdam, Paul Landauer. Max Bonn<br />

kannte ich noch aus Amsterdam, wo wir Bekanntschaft gemacht hatten.<br />

Nun mussten Zippi und ich unser Bett dem Ehepaar überlassen, sodass wir<br />

zu fünft auf einer Matratze auf dem Dachboden schlafen sollten.<br />

Da aber dort nur für höchstens 3 Personen Platz war, blieb Zippi mit<br />

Bonns in einem Bett. Mit einem bisschen guten Willen ging eben alles.<br />

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