Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
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URS WIDMER<br />
5. Mai 1977<br />
http://www.mediaculture-online.de<br />
Meine Damen und Herren, ich freue mich, daß ich den Hörspielpreis der Kriegsblinden<br />
bekommen habe und danke denen dafür, die ihn mir verliehen haben. Ich danke der<br />
Hörspielredaktion des Südwestfunks, die mich seit langem meinen Weg eines freiwillig-<br />
unfreiwilligen Dilettantismus gehen läßt. Ich danke den technischen Mitarbeitern und den<br />
Schauspielern, vor allem dem kleinen Elvis Naber, dessen rührende Interpretation dem<br />
Stück außerordentlich geholfen hat.<br />
Ich möchte heute zu Ihnen über die Unterhaltung sprechen – Unterhaltung in der Kunst<br />
und, da wir ja wegen eines Hörspiels hier zusammen sind, Unterhaltung im Rundfunk. Da<br />
ich mich selber gern gut unterhalte, auch außerhalb der Kunst und des Rundfunks, bin ich<br />
manchmal ziemlich bedrückt, daß ich mir einen so großen Anteil meines Eigenbedarfs an<br />
Unterhaltung selber herstellen muß, weil die Welt, in der ich lebe, so wenig Freude,<br />
Zärtlichkeit und Witz bereithält. Für uns alle ist das Leben in der Bundesrepublik, deren<br />
Freiräume der Lust mehr und mehr aus Trimm-dich-Pfaden bestehen, gewiß nicht nur<br />
einfach. Mit der bedrängenden Abnahme der Zonen, in denen unkontrolliertes Spiel,<br />
Unfug, Blödsinn, begründungslose Phantasie möglich wären, hängt es vielleicht<br />
zusammen, daß die gute Laune vieler, auch meine, zunehmend einen Beiklang von<br />
Verzweiflung hat, oder Wut, je nach Temperament.<br />
Ich träume zuweilen einen naiven Kindertraum von einem Rundfunk, der so aussähe: er<br />
wäre ganz einfach eine Sendeanlage, mit deren Hilfe jeder Bewohner des Landes, wirklich<br />
jeder, die Möglichkeit hätte, das mitzuteilen, was er mitteilen möchte. Um<br />
Handgreiflichkeiten vor dem Mikrofon zu vermeiden, gäbe es Listen, in die man sich<br />
eintragen müßte. Niemand, wirklich niemand hätte das Recht, irgendeine Sendung eines<br />
Rentners oder einer Hausfrau oder eines Dichters oder eines Politikers mit welchem<br />
Argument auch immer abzublocken, und jeden Morgen würde eine freundliche Frau den<br />
Artikel 5 des Grundgesetzes vorlesen, damit er tagsüber nicht vergessen wird: “Jeder hat<br />
das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und<br />
sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit<br />
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