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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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bloßzustellen. Vorgenommen habe ich mir als Ziel ein möglichst glaubwürdiges<br />

Kompositum eher als die Fixierung auf eine zweckdienliche Ideologie und ihre<br />

Stellvertreter.<br />

Bei der radiophonischen Verwirklichung des Vorhabens schien es mir auch diesmal<br />

wesentlich, eine Übereinstimmung zwischen Arbeitsmethode und akustischer Realisation<br />

zu suchen. Von Anbeginn meiner Tätigkeit als Komponist und Rundfunkautor habe ich<br />

stets eine solche Einheit angestrebt. Ich gehöre noch zu einer Generation, die eher im<br />

Rundfunk als im Fernsehen den Kulturgefährten sieht. Von beiden fortwährend<br />

monologisierenden Spendern ist mir das Radio immer noch instinktiv angenehmer, weil<br />

der Informationsfluß aus dem Lautsprecher ohne Bild am besten einen Dialog mit mir<br />

selbst zuläßt. Der Rundfunk als Ausdrucksform ist mir sogar in seiner angeblich nicht<br />

vorhandenen, optischen Dimension vertraut; es ist dies nicht das erstemal, daß ich als<br />

Ausgangspunkt einer spezifisch akustischen Komposition eine visuelle Situation wähle.<br />

Bereits “Soundtrack”, ein Hörspiel von 1975, hatte zum Thema die Eigendynamik der<br />

Gedanken von Familienmitgliedern, die, vor dem laufenden Westernfilm am Fernsehgerät<br />

versammelt, mit gleichzeitig vorgetragenen Monologen, die so zu Scheindialogen wurden,<br />

ihre Einsamkeit und Kommunikationslosigkeit allabendlich dokumentieren.<br />

Anders verhält es sich beim “Tribun”, aber in der Grundidee ähnelt er ebenso einem fast<br />

filmischen Szenario:<br />

“Vom Balkon seiner Residenz übt der erste Mann im Staat eine jener endlos<br />

dahinfließenden Reden, die er häufig der versammelten Bevölkerung vorzutragen pflegt.<br />

Es ist Nacht. Die Zugänge zum Hauptplatz sind gesperrt; vereinzelte Fahrzeuge sind von<br />

weitem hörbar. Zur optimalen Ermunterung des Politikers werden die Reaktionen der nicht<br />

vorhanden, jedoch weich dressierten Zuhörer, vom Tonband über Lautsprecher<br />

eingespielt. Es handelt sich hier meistens um zwei stereotype Äußerungen: ‘Ja’ oder<br />

‘Nein’. Andere Worte, die zum Standardvokabular von Massenveranstaltungen gehören,<br />

werden ebenfalls mechanisch wiederholt. Auch der heftige Applaus und manchmal auch<br />

die Stimme des Tribuns werden eingespielt. (Klangfarbe und Tempo des Klatschens<br />

werden in jenem Land seit langem durch einen Computer synthetisch hergestellt.<br />

Wissenschaftler entdeckten, daß ein akkurates Klatschen die Wirkung bestimmter<br />

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