Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
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Bitte erlauben Sie mir den Versuch einer Erklärung. Vor fünf Jahren war mir aufgefallen,<br />
daß lateinamerikanische Diktatoren nach Putschen, in denen sie von jeweils neuen<br />
Diktatoren abgesetzt werden, sich mit Vorliebe nach Miami begeben, wohl des Klimas<br />
wegen. Diese Beobachtung skizzierte ich für mich folgendermaßen: “Hotelhalle in Miami.<br />
Immer kommen neue Diktatoren aus dem Süden an. ‘Sie sind der vorvorige Diktator,<br />
nicht?’ ‘Nein, der allerletzte!’ ‘Sind Sie sicher?’ ‘Ganz sicher kann ich natürlich nicht sein,<br />
ich kann ja nicht dauernd an der Grenze stehen!‘“<br />
Aus Neugierde, was weiter passieren würde und allerdings auch nach dem Studium<br />
zahlreicher Quellen und Dokumente, hauptsächlich von Amnesty International, schrieb ich<br />
nun weiter. Hierbei merkte ich bald, daß ich die manchmal schrecklichen Dialoge meiner<br />
Figuren nicht aus der unnötig urteilenden Entfernung des konventionellen Prosa-Erzählers<br />
steuern, daß ich dieses Material künstlerisch nicht verwalten wollte: also es blieb direkte<br />
Rede. Ferner hatte ich aber auch eine noch stärkere Hemmung, die aufgeschriebenen<br />
Gespräche in eine vorher ausgedachte Reihenfolge zu zwingen, die eine “Handlung“ oder<br />
gar eine “echte Handlung”, eine “dramatische Handlung” ergeben würde, also Theater war<br />
es auch nicht, jedenfalls kein ordentliches Theater, wo sich etwas schützt, was sich später<br />
löst, Zusammenprall, Höhepunkt und so weiter, Sie kennen das aus der Schule oder dem<br />
Theater von heute, also doch aus der Schule.<br />
Nun wohnte ich in der Provinz, eine halbe Stunde entfernt von der mexikanischen Grenze,<br />
in einem kleinen Ort an der Küste von Kalifornien. Von dort aus sind in den Zeitungen als<br />
deutsche Spezialitäten berichtete Phänomene wie “die Kreislaufstörung”, “das<br />
Selbstmitleid”, “die Innerlichkeit”, “die Tendenzwende” und vor allem “das Berufsverbot”<br />
nicht immer verständlich. Besonders schwer hatte ich es mit der “Tendenzwende”, weil ich<br />
jahrelang Aufsätze über dieses Ereignis überlas in der Annahme, es handle sich um<br />
Vorgänge an der deutschen Börse, was natürlich nur teilweise zutraf. Hauptsächlich war<br />
damit wohl eine ganz neue Restauration, eine beginnende, aber ganz neu aussehende<br />
Gegenaufklärung gemeint, die in unserer Geschichte immer Arm in Arm mit einer Art<br />
literarischem Biedermeier aufzutreten scheint. Auf einmal wurden Kritiker und<br />
Dramaturgen, die eben noch die Literatur auf die Straße gejagt hatten, zu Türhütern der<br />
Innerlichkeit. Neu entdeckt wurde, was Goethe das “Sich-Abarbeiten in der<br />
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