Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
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Ich glaube nicht, daß ich mich täusche, wenn ich behaupte: das Radiohören war ein<br />
besonderer Entzündungszustand; es vermittelte ein schwebendes Gefühl von<br />
Unabhängigkeit und von verzeihen Sie bitte: von Freiheit. Ich meine nicht diesen<br />
aufgeschwemmten Freiheitsbegriff. Ich meine eine ganz kleine, beinahe rührend kleine<br />
Freiheit. Und ich meine einen sehr glücklichen Zustand im Kopf.<br />
Diese Radioknöpfe waren die wunderbarsten Knöpfe der Welt, mit denen man sich<br />
mühelos etwas Unerhörtes direkt aus der Luft ins Ohr drehen konnte: Charlie Parker, King<br />
Oliver, Stan Kenton oder Duke Ellington, Chet Baker, seit 14 Tagen tot – und Bix<br />
Beiderbecke.<br />
Das Merkwürdigste dabei ist: ich erinnere mich eigentlich nicht an Hörspiele. Vielleicht bin<br />
ich ja beim Herumdrehen dieser Knöpfe auf die falschen Stücke gestoßen: auf<br />
eingesperrtes Theater, auf konventionelle Dialogstücke, die ihre Berechtigung haben<br />
mögen, für die ich allerdings bis heute nicht das geringste Interesse aufbringen kann.<br />
Bleiben wir noch einen Moment beim Jazz.<br />
Die verschiedenen Spielarten dieser Musik sind für die literarische Entwicklung des vor<br />
Ihnen stehenden Mannes ebenso wichtig wie die Lektüre von beispielsweise Kafka oder<br />
Samuel Beckett. Ich sage das mit allem Bedacht: ohne diese lange Beziehung zum Jazz<br />
würde ich möglicherweise anders schreiben. Die Kritik nennt mich gelegentlich, wenn sie<br />
mich freundlich behandelt: einen Wortkomponisten. Ich bin mit dieser Charakterisierung<br />
einverstanden; sie trifft meine Arbeitsweise ziemlich genau.<br />
Faßt man alles zusammen, so verdanke ich dem Radio zwar viel, habe aber ein<br />
offensichtlich spät entwickeltes Verhältnis zum Hörspiel. Tatsächlich hat es lange<br />
gedauert, bis ich bemerkt habe, daß gerade auf diesem Gelände alle Möglichkeiten auf<br />
einmal liegen. Mehr noch: daß meine Absichten sich an keinem anderen Ort so<br />
wirkungsvoll realisieren lassen, wie im Radio.<br />
Wenn es nicht allzu höflich und auf diese bestimmte Gelegenheit hin berechnet klänge,<br />
würde ich sagen: nicht das Theater, nicht das Fernsehen, sondern das, was wir in einer<br />
gewissen Ausdrucksnot und der Einfachheit halber Hörspiel nennen oder Radiokunst ist<br />
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