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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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gewöhnliche Blinde – wenn man von “gewöhnlichen” in Verbindung mit dem Verlust des<br />

Augenlichts sprechen darf – sondern um gewordene Blinde; ausschließlich um Menschen,<br />

die vom Blitzschlag der Waffen getroffen, dauerhaft in einen geschwächten Zustand<br />

versetzt wurden. Hier versammeln sich heute keine Blinden von Geburt aus, sondern nur<br />

Verletzte, lebende Tribute jenes Krieges, der an Sinnlosigkeit in der Geschichte der Kriege<br />

überhaupt kaum seinesgleichen finden kann. Hier sind wieder die obszönen Beweise des<br />

Kampfes versammelt, die Beschädigten jenes Tribuns, der seinen Kampf durch<br />

Verblendete ausführen ließ. Aber auch in diesem Punkt unterschied er sich kaum von<br />

seinen anderen Kollegen: wesentlich beim Anheizen der Instinkte im politischen Geschäft<br />

scheint zunächst die präzise Weichenstellung zur Entfaltung von Selbstbefriedigungen.<br />

Eine solche Mechanik des Trostes wirkt jedoch selten in einer einzigen, kontrollierbaren<br />

Richtung. Daraus wird immer heftiger ein diffuses Verlangen nach mehr – bis es<br />

schließlich keine Linderung gibt. Allein deswegen wäre ich dafür, einen orthographischen<br />

Eingriff vorzunehmen, gleich einer Akzentverschiebung, um Tribun mit “ie” zu schreiben.<br />

Es wäre dann von Trieb, Triebun, Triebune die Rede, eine wie mir scheint<br />

angemessenere Veranschaulichung der Zusammenhänge. Also: “Der Triebun”?<br />

In Argentinien geboren und in Südamerika aufgewachsen, habe ich dort reichlich<br />

Gelegenheit gehabt zu lernen, daß die Triebkräfte des politischen Handelns eher<br />

erotischer als heroischer Natur sind. Stimme und Aussehen derjenigen, die sich für das<br />

Wohl des Volkes zuständig fühlen – aber leider auch über dessen Maßstäbe der geistigen<br />

Gesundheit verfügen wollen – waren, längst bevor das Fernsehen zu einem makellosen<br />

Make-up zwang, häufig ebenso wichtig wie politische Argumente. In Europa habe ich<br />

übrigens vieles davon wiedererkannt, allerdings in differenzierteren Schattierungen. Das<br />

Triebhafte des Metiers ist in diesem Kontinent wankelmütigeren Umwandlungen<br />

unterworfen als dort, vielleicht weil hier mehr geplant wird und somit Anpassungen an<br />

veränderte Situationen reibungsloser stattfinden können, während die meisten Politiker in<br />

Südamerika als solche sich kaum umschulen lassen, nolens volens volens die Berufung<br />

ergreifen, zunächst nur für ein Weilchen an die Macht gelangen und des häufigeren<br />

länger bleiben. Das zwingt im allgemeinen zu viel starreren, unbeugsameren Positionen.<br />

Wenn sich Politiker in diesem Lande – aber sicher sehr selten! – gegenseitig der<br />

Humorlosigkeit bezichtigen, so wäre dies beispielsweise ein undenkbares Schimpfwort in<br />

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