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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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Ad 2: Die Frage des Themas ist schwerer zu beantworten. In Hollywood bekommen die<br />

<strong>Autor</strong>en gesagt: jede Idee passt in höchstens drei Sätze. In Europa definieren wir das<br />

etwas anders. Wir sagen: Ein Werk muss uns packen, es muss möglichst nah an die<br />

letzten Dinge, an die heiligen Bereiche des Lebens und des Todes dringen. Die Amis<br />

schaffen das sogar in drei Worten: “Love, God, Murder“ nannte Johnny Cash seine letzte<br />

CD-Sammlung.<br />

Ad 3: Leicht wiederum ist die Frage nach dem Medium zu beantworten: Medien<br />

funktionieren dann am besten, wenn sie möglichst authentisch aus sicherer Distanz von<br />

möglichst großen Katastrophen berichten. Bei Überschwemmungen und live übertragenen<br />

Flugzeugabstürzen sind Einschaltquoten und die emotionale Beteiligung der Bevölkerung<br />

erfahrungsgemäß am größten.<br />

Der Cockpit Voice Recorder als idealer Hörspiel-Apparat<br />

Somit war klar, worüber wir ein Hörspiel machen würden. Wenn man diese drei<br />

Grundvoraussetzungen des idealen Hörspiels addiert, gibt es eigentlich nur einen einzigen<br />

Apparat, der diese Voraussetzungen idealtypisch in sich vereint. Der Cockpit Voice<br />

Recorder von Flugzeugen, der die letzten Minuten vor dem Absturz einer Maschine<br />

aufzeichnet. Seine Aufzeichnungen existieren nur als akustisches Ereignis. Er handelt<br />

vom Tod, und er ist der Inbegriff eines Mediums – eine kleine zeitliche Prothese, die die<br />

Stimme der Piloten überleben lässt, wenn sie schon längst gestorben sind.<br />

Der Cockpit Voice Recorder, eigentlich nur eine leicht perverse Erfindung von neugierigen<br />

Ingenieuren, lässt uns akustisch an einem Ereignis teilnehmen, das wir nicht überlebt<br />

hätten, wenn wir dabei gewesen wären. Ingenieure beweisen mit ihm ihre Unschuld (nicht<br />

das Flugzeug ist schuld, sondern die Piloten), Fernsehsender befriedigen voyeuristisches<br />

Interesse, wenn sie ihre Computersimulationen von Flugzeugabstürzen mit den<br />

Geräuschen aus dem Voice Recorder unterlegen. Juristen führen mit seinem Material<br />

Prozesse in Millionenhöhe.<br />

Nur künstlerisch war dieser Apparat ungenutzt. Dabei gibt er die Chance, an Heiliges zu<br />

rühren. Er lässt uns einen Blick an den Rand des Todes werfen. Der Cockpit Voice<br />

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