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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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Argumentation wird abgebrochen, weil sie an dem Problem scheitert. Die Antwort kommt<br />

von einer anderen, einer höheren Ebene; die künstlerisch elegantere Lösung wird hier der<br />

existentiellen Wahrheit geopfert. Wenn das Hörspiel sich vorgenommen hätte, die Frage<br />

mit Gründen der Ratio zu beantworten, dann konnte dies nicht gelingen. Denn das<br />

Problem ist nicht so einfach wie etwa das der Toleranz in “Nathan dem Weisen”.<br />

Aber das Hörspiel hatte sich nicht die Aufgabe gesetzt, das Problem zu illustrieren, im<br />

Dialog zu umschreiben und zu analysieren. Indem es eine künstlerisch folgerichtige<br />

Lösung aufgab, wollte es den Appell an den Menschen richten, Werte setzen, sich zu<br />

einer Rangordnung der Menschen bekennen, in diesem Falle das göttliche Gebot über<br />

das der Humanität und des Mitleids stellen.<br />

Daß dieser Appell gehört wurde, bestätigt der vorhin erwähnte Brief jener kranken Hörerin,<br />

die durch ihn den Mut fand, das Leiden zum Tode zu übernehmen. Dennoch beunruhigte<br />

mich dieser Brief; und lassen Sie es mich gestehen, dieselbe Beunruhigung empfand ich,<br />

als ich die Nachricht von der Preisverteilung erhielt. Ist es nicht sehr leicht für mich, der ich<br />

den Tod nicht so unmittelbar auf mich zukommen sehe wie die Hörerin oder die Patientin<br />

im Stück, einen solchen Appell an meine Mitmenschen zu richten? Ist es nicht auch<br />

bequem, ein Hörspiel dieses Appells wegen zu prämieren, solange wir nicht wissen, wie<br />

wir uns in einer solchen Stunde bewähren werden? Würden wir angesichts des Todes<br />

denselben Mut aufbringen, den wir an der Patientin bewundern?<br />

Im Hörspiel stellt die Todgeweihte dem zuredenden Arzt dieselbe Frage; und er antwortet,<br />

er wisse nicht, wie er sich dann verhalten werde. Vielleicht werde auch er dann schwach<br />

sein. Und trotzdem hat der Arzt den anderen Menschen in seiner Umgebung etwas<br />

voraus. Er hat den Unterschied zwischen einer transzendenzlosen Humanität, der<br />

“falschen Humanität”, wie er es nennt, gegenüber der gottverpflichteten Humanität<br />

erkannt. Er weiß, daß sein Wunsch nach dem Gnadentod, wenn er ihn jemals äußern<br />

sollte, nicht “rechtens”, sondern Schwäche ist; daß die Entscheidung der Patientin, die<br />

das Leiden zum Tode auf sich nimmt, von höherem Rang ist als die dem Verstand<br />

einleuchtenderen Argumente der anderen.<br />

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