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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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zuspitzen wird, und zum anderen fängt sogar das Verhältnis des breiten Publikums zu den<br />

Klassikern an, brüchig zu werden. Statt lebendiger Impulse empfängt man blasse<br />

Bildungserlebnisse und selbst solche scheinen jetzt immer seltenere Glücksfälle zu sein.<br />

Da überdies der Schatz unserer Klassik begrenzt ist und deshalb der Abnützung<br />

unterliegt, und da er außerdem etwas fest und unveränderlich uns Vorgegebenes ist, kann<br />

das Theater letztlich doch nur von seiner anderen Seite her, von der lebendigen,<br />

zeitgenössischen Dramatik her zu neuer Blüte gebracht werden.<br />

Und an diesem Punkte nun, an dem nach der “neuen Dramatik” gefragt ist, eröffnet sich<br />

unversehens eine andere, so bedeutsame wie leider auch bedrückende Frage. Wie denn,<br />

wenn das “Drama von heute”, das, wie Herr Friedrich Luft mir ins Stammbuch geschrieben<br />

hat, “seinen Stil endlich finden muß”, und das diesen seinen Stil ja seit einem halben<br />

Jahrhundert in sämtlichen überhaupt nur vorstellbaren Richtungen gesucht hat, – wie<br />

denn, wenn dieses Drama von heute seinen Stil dort überall nicht bloß wegen dummer<br />

Zu- und Unglücksfälle verfehlt hat, sondern ganz schlicht deshalb, weil es diesen Stil<br />

überhaupt nicht finden kann? Wie, wenn da ein prinzipielles Hindernis vorläge, wenn das<br />

Theater wegen seiner ästhetisch-psychologischen oder gesellschaftlichen<br />

Voraussetzungen, wenn das Theater als solches, als Institution und nach seinem<br />

innersten Wesen “altmodisch” und gemäß unseren heutigen Ausdrucksbedürfnissen nicht<br />

reformierbar wäre? Dann müßten freilich alle Versuche, auch das Drama wirklich in jene<br />

große Ausdrucksrevolution einzubeziehen, die in der Malerei, in der Musik, der Lyrik vor<br />

sich gegangen ist (um nur Beispiele anzuführen) und die bereits in der Epik nicht so recht<br />

gelingen will, so daß man seit gestern schon von der “Krise des Romans” redet, – dann<br />

müßten all diese Versuche letztlich dem fatalen Unternehmen gleichen, das perpetuum<br />

mobile zu erfinden, oder wie im Märchen Gold aus Stroh zu spinnen, ohne daß freilich<br />

hierbei ein wundertätiges Rumpelstilzchen zu erwarten ist. Dann würde das “alte” Theater<br />

nicht mehr goutiert, das “neue” wäre nicht möglich, und das Theater als solches wäre tot;<br />

allerdings ohne deshalb zu sterben. Und dies freilich, weit davon entfernt tröstlich zu sein,<br />

wäre nun erst recht gespenstisch: daß es dann in zwanzig oder dreißig Jahren noch<br />

immer ein Theater gibt (denn nichts ist zählebiger als die Konvention). Daß dieses<br />

Theater dann aber nicht einmal mehr Museum ist, sondern vielmehr selber im Museum<br />

steht. Ein mit Pietät gepflegtes Fossil vergangener Epochen. Die Lebenden aber geht es<br />

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