Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
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Ich höre das Wort Gemeinsamkeit. Es wird mit deutschem Akzent gesprochen und meint<br />
uns Deutsche. Es meint Geschichte und Kultur, es meint die Sprache, es meint<br />
Topografie, Familien, Verbindungen, Erwartungen, Traurigkeiten. Deutschland also. Es<br />
gibt ein Gedicht von Bertolt Brecht, im Gestus anschließend an die Deutschland-Dichtung<br />
Friedrich Hölderlins, jene höchste und schmerzlichste Verlautbarung deutscher<br />
Einigungssehnsucht in einer Zeit, da Europas Völker Nationen werden sollten oder<br />
konnten, und Brecht, vier Generationen später, verlautbart das Ende dieser einen kaum<br />
und mühselig gewordenen, dieser fatalen Nation, die wir waren. “Deutschland, bleiche<br />
Mutter, besudelt sitzest du unter den Völkern.” Das war es. Das war unsere<br />
Gemeinsamkeit, und vielleicht war es unsere letzte. Die Kinder leben verschieden.<br />
Ich war 1945, als der Krieg zu Ende ging, dreizehn Jahre alt. Man könnte mich fragen,<br />
warum ich mich so fixiert fühle an Ereignisse einer Zeit, in der ich ein Kind war, die für<br />
mich geschehene Geschichte ist eher als erlebte Vergangenheit. Aber die geschehene<br />
Geschichte wuchert fort. Das Trauma ist auch meine Gegenwart. Ich schrieb es auf.<br />
Wiewohl wir verschiedenen Anteil an diesem Trauma haben: Sie, die Sie mir zuhören, und<br />
ich, der ich hier zu Ihnen spreche. Ich komme aus einer Umgebung, welche die Ihre nicht<br />
ist. Eine Umgebung, in der ich nicht zufällig lebe, sondern mit Absichten. Ich sehe das<br />
Trauma nicht neben mir. Seine Figurationen begegnen mir nicht auf der Straße, in dem<br />
Ort, darin ich lebe, in den Städten, die ich üblicherweise besuche. Ein gutes Gefühl. Ich<br />
bekenne mich dazu. Ich schlage Zeitungen auf. Das Trauma ist geronnen in Buchstaben.<br />
Soll ich sagen: das ist weit fort? Ich werde nie einen SS-Mann auf meinem Gartenweg<br />
erblicken. Vorzüglich: aber ja. Endet meine Welt an einem Gartentor? Keine Welt endet<br />
dort. Ein Zaun: gut. Ich will nicht, daß er brennt. Vielleicht doch noch eine Gemeinsamkeit:<br />
dies nicht geschehen zu lassen.<br />
Vielleicht erinnert man sich, wie die zwei Figuren meiner Geschichte den Ertrag ihrer<br />
Jahre prüfen. “Ich habe Wärme und Freundlichkeit gefunden in einer finsteren Zeit”, heißt<br />
es da, und: “Das Schreckliche war nicht schrecklich genug, daß es das nicht gab.” Dies ist<br />
sicher viel. Es sagt etwas aus über Größe und Stärke und Vermögen des Menschlichen.<br />
Verführung zur Güte, nannte das Brecht. Wieviel mehr wäre und vermöchte sie, stünde<br />
sie nicht unter den Verschränkungen des Schrecklichen. Eine Botschaft, wenn Sie wollen.<br />
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