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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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Die Kultur der Hitparaden<br />

http://www.mediaculture-online.de<br />

In diesem Umfeld muß sich das Hörspiel behaupten. Nicht als esoterische Kunstform,<br />

sondern als kämpferisch trojanisches Pferd. Das Hörspiel – und viele, die auf dem<br />

literarischen Kunstanspruch dieser Gattung beharren, wollen es nicht hören –,das<br />

Hörspiel gehört in die Hitparade. Und ich behaupte, es wäre da nicht in schlechter<br />

Gesellschaft. Denn – ungeachtet ihrer weitgehenden Kunstlosigkeit – findet in Nischen der<br />

Pop-Kultur vielleicht die eigentliche Kulturarbeit unserer Epoche statt: Da werden auf<br />

höchstem technischen Niveau von Musikern manchmal Kleinode geschaffen, die<br />

durchaus wüste Toncollagen, harte Schnitte, verschrobene Texte oder anrührende<br />

Melodien enthalten und deren einziger Nachteil es ist, daß sie höchstens 3 Minuten 30<br />

Sekunden dauern dürfen und deshalb nicht dazu taugen, große Geschichten zu erzählen.<br />

Dies ist eine Beschränkung, die das Hörspiel nicht hat. Aber vielleicht kann es mit Hilfe<br />

der zweifellos funktionierenden Mittel der Geräuschkunst, die in den Hitparaden<br />

stattfindet, gelingen, das große Werk zu schaffen, das abendfüllend eine Geschichte<br />

voller Kunst und Emotion erzählt. Und wer sonst tut das heutzutage noch? Wer wagt<br />

heute noch das große Werk?<br />

Weil so ein Satz ein Endpunkt ist, lassen Sie mich – mit dem Satz von der Hitparade im<br />

Ohr noch einmal beginnen. Diesmal nicht in den scheinbaren Untiefen der Pop-Kultur,<br />

sondern ganz unbescheiden auf den einsamen Höhen abendländischer Kunst: Vor fast<br />

einem halben Jahrtausend wurde in Mantua von dem Medientechniker Monteverdi eine<br />

neue Gattung erfunden: die Oper. Was ist die Oper? Die Oper erzählt eine große<br />

Geschichte auf möglichst intensive Weise. Sie transponiert einen Text in das Medium<br />

Bühne. Sie tut dies mit Musik, der ältesten aller Geräuschkünste. Die Oper ist ein<br />

Kraftwerk der Gefühle.<br />

Wie schafft sie das? – Indem sie Worte durch Laute unterstützt, in Frage stellt,<br />

kommentiert. Wenn später in Mozarts Opern die bösesten Menschen die schönsten<br />

Melodien singen, dann erst kommt die Kultur zu sich selbst, zieht alle Register ihres<br />

Ausdrucks, macht Sinn und produziert Gefühle allein durch das Ohr – wie ein Hörspiel.<br />

Diese den Text begleitenden Laute sind so wichtig, daß nicht umsonst heute eher der<br />

Komponist der Opern als der Librettist in Erinnerung ist.<br />

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