Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
http://www.mediaculture-online.de<br />
Die Folgen sind bekannt. Die entfremdete Sprache der Spezialisten teilte mit, was der<br />
Mehrheit gestohlen und durch galaktische Nebel von Sprachritualen, von eben dieser<br />
Mehrheit getrennt, als Information an diese zurückgegeben wurde. – Der Dialekt, das<br />
Sprechen im Idiom, das direkte Sagen aber blieben dem Volke vorbehalten.<br />
So blieb der Akt der Befreiung in Mitteilung auf die Klassen beschränkt, die die Provinzen,<br />
in denen sie herrschten, untereinander aufteilten. Ich hatte mich also bei der Herstellung<br />
des Hörspiels zu entscheiden, wessen Sprache ich verwenden und mit wem ich sprechen<br />
wollte. Es boten sich zwei Verfahrensweisen an. Entweder so direkt wie möglich aus der<br />
Erinnerung zu berichten, mit allen Fehlern und Unreinheiten, die sich beim Erinnern<br />
einstellen, – oder aber auf das Mittel der Reproduktion dieser Erinnerung durch die<br />
geschriebene Sprache zurückzugreifen, wobei Fehler und Unreinheiten künstlich in den<br />
Arbeitsprozeß hätten eingebracht werden müssen. Ich entschied für die erste Methode, da<br />
sie mir die Möglichkeit öffnete, die Sprache des ungehemmten schöpferischen Sprechens<br />
wieder zu erlernen.<br />
Das Ergebnis gab mir recht. Die Gewöhnlichkeit des Todes wurde nicht durch<br />
Mystifikation und schönfärberischen Sprachgebrauch ihres Schreckens und ihrer Poesie<br />
beraubt. Die Subjektivität der Erzählweise schützte das Ergebnis vor dem falschen<br />
Anspruch auf Allgemeingültigkeit.<br />
Nun läßt sich das Gewöhnliche nicht einfach nur so benennen. Es verlangt nach<br />
Körperlichkeit der unvermittelten Sprache, damit es sich in seiner Trivialität und Schönheit<br />
zu erkennen geben kann. Erst dann wird es begreiflich, stößt ab, oder löst Sympathie aus.<br />
Der Schrecken wird menschlich. Die Grausamkeit, die durch das direkte Sagen entstehen<br />
mag, provoziert den Widerstand. Das Gespräch mit dem Zuhörenden beginnt. Der<br />
Erzähler verliert seine Privilegien, er wird unversehens in das Gespräch einbezogen, das<br />
er durch die Direktheit des Mitgeteilten herausforderte.<br />
Doch kaum ist das so in Gang gebrachte Gespräch beendet, setzt der Erzähler sich<br />
wieder auf seinen angestammten Sitz. Er folgt den Spielregeln eines Systems, das den<br />
emanzipatorischen Prozeß aller Glieder der Gesellschaft nicht wirklich will, – das von der<br />
86