Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
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aus käuflichen Günstlingen, für die er die Politiker aus hemmungslosen Kolporteuren, für<br />
die er die Poeten gehalten hat. Und doch: er hätte sich wohl nicht getäuscht, sie beide in<br />
dieser überspannten Verbindung für identisch zu halten; er hätte es getan, ohne zu<br />
wissen, daß sie tatsächlich als eines und dasselbe gelten dürfen.<br />
Poesie & Politik: “Das ist dutt meim Schoß!” hätte er gesagt, was er übrigens zeitlebens<br />
für gut deutsch und nicht als Wiedergabe des französischen “toute même chose” gehalten<br />
hatte: Poesie & Politik als verstiegene Nämlichkeit. Er hätte recht gehabt, und ich bin sehr<br />
zufrieden, daß es so ist. Fritz Mauthner sagte nämlich von der Poesie, sie sei die Kunst<br />
der Sehnsucht und Bismarck sagte von der Politik, sie sei die Kunst des Möglichen. Ja, ist<br />
die Kunst der Sehnsucht nicht auch die Kunst des Möglichen und die Kunst des<br />
Möglichen zugleich die Kunst der Sehnsucht? Was ist die Sehnsucht anderes als der stille<br />
Drang nach dem Möglichen, was ist das Mögliche anderes als das sanfte Ideal, das die<br />
Sehnsucht entfacht? O nein, Politik ist nicht Prosa des Lebens, und Poesie ist nicht seine<br />
Verklärung! Wahre Poesie und wahre Politik nehmen die Natur und den Menschen nicht,<br />
wie sie sich in diesem Augenblick zeigen, sie stimulieren zweistimmig die Sehnsucht, sie<br />
spielen beidhändig mit dem Möglichen. Nur die Feuilletonpoeten und die Tagespolitiker<br />
starren nach dem Machbaren: die Tagespolitiker verhöhnen die Traumtänzer und die<br />
Feuilletonpoeten machen sich über die Luftkutscher her, eine blindwütige Hexenjagd in<br />
diesem unserem Land. Feuilletonpoeten und Tagespolitiker sind die Prosaisten des<br />
Lebens, die die Natur und den Menschen nur mit einem Auge sehen, mit dem rechten<br />
oder mit dem linken oder, wie die geschäftstüchtigen Nivelleure, mit dem mittleren Auge<br />
des Poliphem. Mauthner sagt: “Während die Prosa des Lebens die Natur und den<br />
Menschen nehmen muß, wie sie sind, möchte die Sehnsucht der Poesie die Natur und<br />
den Menschen heroischer, abenteuerlicher, schöner haben.” Und das möchte die Politik<br />
auch, wenn sie ernsthaft die Kunst des Möglichen sein will. Wie ist das also: Die Natur soll<br />
schöner, sie soll besser, und auch der Mensch soll schöner, soll besser werden. Ja, ist<br />
denn das überhaupt möglich im Rahmen des Möglichen, und ist es erstrebenswert, so wie<br />
es die Sehnsucht gern hätte?<br />
Poesie & Politik: An dieser Stelle habe ich mich nun endlich in den Schuß- und Kettfäden<br />
meines so schön gewebten fliegenden Teppichs verfangen. Wie komme ich da wieder<br />
heraus, ohne analytisch werden zu müssen, Argumente zu benutzen und<br />
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