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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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geschickte Täuschung? Wir wissen, es hätte so sein können. Es war so beabsichtigt. Das<br />

sehr Besondere vermag das Allgemeine sehr wohl zu spiegeln, lautet ein gängiger<br />

Grundsatz des Ästhetischen. Wirklichkeit, andere Wirklichkeit, in diesem Fall anders zu<br />

unser aller Glück, löscht frühere Absichten, betreffend die Wirklichkeit, nicht aus.<br />

Keinesfalls die Kenntnis davon. Nicht einmal das Bekenntnis dazu. Es gerinnt alles zum<br />

Trauma, sich behauptend neben der anderen Wirklichkeit. Ist das Trauma keine<br />

Wirklichkeit?<br />

Einzelheiten.<br />

Ich lese in einer Zeitschrift über etwas, das die ratlose Medizin “KZ-Syndrom” nennt.<br />

Ehemalige Häftlinge aus Hitlers Lagern leiden unter plötzlichen Ausfallerscheinungen und<br />

schweren körperlichen Schäden. Die Ursache ist, Mediziner nennen das so,<br />

psychosomatisch. Ursache sind die Ängste, welche in Hitlers Lagern erlebt wurden: vor<br />

zwanzig Jahren.<br />

Ein Schriftsteller aus dieser Stadt München, der übrigens vor Jahren den Preis erhielt, den<br />

auch ich heute erhalte, schreibt mir einen Brief. Er stellt mir ein literarisches Thema.<br />

Variationen verschiedener Schriftsteller über einen gemeinsamen Gegenstand sind<br />

beliebt, man weiß. Er stellt mir das Thema, Hitler sei in die Bundesrepublik zurückgekehrt,<br />

lebend, agil und die zwanzig Jahre lang geübte Anonymität verlassend. Das Thema dünke<br />

ihn zeitgemäß, schreibt der Schriftsteller.<br />

Ich sehe Filmaufnahmen von einem festlichen Empfang. Rosige Herren tragen das<br />

Ritterkreuz unter der Frackschleife, Hitlers Orden, das Hakenkreuz ist freilich<br />

herausgebrochen, Hitlers Orden dennoch, verliehen für persönliche Tapferkeit vor dem<br />

Feind, vor welchem Feind, war er ein Feind, welcher Art war die Tapferkeit, für wen<br />

geschah die Tapferkeit, ist Tapferkeit beziehungslos, mißt sich Tapferkeit an sich selbst,<br />

die Herren tragen das Ritterkreuz unter der weißen Frackschleife, lächelnd und plaudernd,<br />

die Gläser in der Hand, die Olive im Mund bewegend, die Zunge im Mund bewegend, man<br />

spielt ein Musikstück von Rubinstein.<br />

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