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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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Beispiel einer, der über Jahre hinweg als Operator in einem großen Rechenzentrum<br />

gearbeitet hat und nun in Hörspielform einen schockierenden Bericht darüber gibt,<br />

welches Ausmaß an Entfremdung menschlicher Arbeit in unserer Zeit angetan werden<br />

kann. Da ist ein anderer <strong>Autor</strong>, der seit Jahren einen 12-Stunden-Tag in der<br />

Berufsbildungsarbeit hat und nun in Hörspielform Bericht gibt darüber, daß die<br />

arbeitslosen Jugendlichen von heute sich anschicken, einen Staat im Staate zu bilden –<br />

und welches katastrophale Ausmaß Resignation und Lebensunlust in diesem Teilstaat<br />

schon haben. Daß solche konkrete Erfahrungsberichte aus den weißen Erdteilen unseres<br />

Alltags die Hörerpost merklich anschwellen lassen, daß beispielsweise junge Lehrer<br />

solche Hörspiele spontan zu Unterrichtszwecken einsetzen – diese Tatsache macht uns<br />

Hörspielredakteure stolzer als manche lobende Kritik. Oder ein weiteres Beispiel: In<br />

mehreren Hörspielredaktionen werden zur Zeit Kurzhörspielreihen für das<br />

Tagesprogramm aufgebaut. Ein vom Publikum lebhaft begrüßter Versuch, die Gattung<br />

Hörspiel aus den traditionell-abendlichen Sendezeiten zu erlösen. Ist das alles wirklich nur<br />

Routine, Konvention und Mangel an Risikofreude? Nach meiner Meinung verlangt solche<br />

Kurzhörspielreihe einem Programmdirektor wesentlich mehr Experimentierlust ab als<br />

manches Sprach- oder Klangspiel.<br />

Meine Bitte an die Jury also lautet: Denken Sie – wenn Sie unsere Arbeiten be- oder<br />

verurteilen – auch an unseren Publikumsauftrag. Es geht hier nicht um die Abwehr von<br />

Kritik, sondern um die Abklärung der Voraussetzungen einer produktiven Wechselwirkung<br />

zwischen Programm und Kritik. So vorschnell und unfair ich das Pauschalverdikt gegen<br />

unseren Programmalltag finde, so Wichtig und unentbehrlich ist es natürlich für uns, zu<br />

dauernder Selbstprüfung angehalten zu werden. Die Grenze zwischen Annäherung an<br />

das Publikum und Mißachtung des Publikums ist messerscharf: Wo Annäherung<br />

abwirtschaftet zur Simplifizierung, wo Vereinfachung nicht Kalkül ist, sondern<br />

Bequemlichkeit, da ist die Berufung auf Publikumserwartungen nur noch Vorwand für<br />

Einfallsblässe und Argumentationsangst. Auch die sogenannte Publikumsverbundenheit<br />

kann zur ungeprüften Ideologie herabsinken – und zwar immer dort, wo sie einhergeht mit<br />

der Verunglimpfung alles Schwierigen, Herausfordernden, noch-nicht-Gedachten und<br />

daher Lästigen. Sergej Tretjakov hat einmal gesagt: “Unverständlichkeit pflegt in zwei<br />

Fällen aufzutreten: 1. wenn ein Mensch schwer versteht, weil er noch nicht genügend<br />

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