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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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seine Richtigkeit hat und das hat es nicht. Ich glaube aber, daß ich dieses Gefühl des<br />

Unbefriedigtseins mit der eigenen Arbeit mit den meisten Schriftstellern teile. Und man<br />

kann sogar sagen, daß es ein gutes und für jeden Künstler notwendiges Gefühl ist. Denn<br />

Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit ist das Ende der Selbstkritik und der Tod des<br />

Künstlers.<br />

Ich bin erst seit fünf Jahren Schriftsteller, und in diesen fünf Jahren habe ich fünf<br />

Hörspiele geschrieben. Es steht mir daher nicht zu, etwas über das Hörspiel als Kunstform<br />

auszusagen, das Anspruch auf allgemeine Gültigkeit hätte. Dennoch glaube ich, im Laufe<br />

dieser Zeit einige Regeln gefunden zu haben, Arbeitsregeln für den Schriftsteller, die aber<br />

für das Publikum wohl als Kriteria gelten mögen.<br />

In seiner Komödie “Don Juan, oder die Liebe zur Geometrie” sagt der bedeutende<br />

Schweizer Schriftsteller und Architekt Max Frisch: “Die Wahrheit läßt sich nicht zeigen” –<br />

sondern – “nur erfinden!” Diesen Satz halte ich nicht nur für überaus zutreffend, sondern<br />

er erscheint mir richtunggebend für die Aufgabe der Kunst: Die Kunst dient der Erfindung<br />

der Wahrheit.<br />

Ich möchte sogar noch weitergehen und sagen, daß es nicht nur die Aufgabe der Kunst<br />

ist, die Wahrheit zu erfinden, sondern – umgekehrt – daß ein Werk, welches die Wahrheit<br />

erhält, nur ein Kunstwerk sein kann. Ein Historiker muß ein Dichter sein, sonst geht sein<br />

Werk an der Wahrheit vorbei und ist nichts als ein hohles Gerüst. “Alle Historiker erzählen<br />

von Dingen, die nie existiert haben, außer in der Vorstellung”, sagt Nietzsche. Und die<br />

Bibel ist nicht nur das zuverlässigste Geschichtswerk der Weltliteratur – weil nämlich aus<br />

ihr ein Geist spricht, der niemals irren kann –,sondern gleichzeitig eines der größten<br />

Kunstwerke.<br />

Aber ich will mich hier auf die Anwendbarkeit der “Wahrheitserfindung” beschränken,<br />

soweit sie das Hörspiel betrifft. Es geht aus dem soeben Gesagten hervor, daß ein<br />

Hörspiel, um wahr zu sein, nicht etwa ein Ereignis der Geschichte überlieferungsgetreu<br />

wiedergeben soll: Das wäre dramatisierte Geschichtsschreibung, also nicht die Wahrheit.<br />

Ebensowenig soll es ein aktuelles Tagesereignis darstellen, denn das wäre Journalismus,<br />

die subalternste Form der Literatur, soweit man sie zur Literatur rechnen kann; mit der<br />

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