Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

CHRISTOPH SCHLINGENSIEF
7. Juli 2003
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An der Schwelle. Dankesrede zum Hörspielpreis der Kriegsblinden
Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Bundesratspräsident, sehr geehrter Herr
Direktor des Bundesrats, sehr geehrte Vertreter des Bundes der Kriegsblinden, sehr
geehrte Blinde, liebe metaphysische Blinde, an alle Dunkelheiten, die uns umgeben.
Ich freue mich sehr, dass ich hier stehen darf. Ich kann nicht abstreiten, dass ich auch
gerührt bin; nicht wegen der Worte, die ich hier und jetzt über mich hören darf – ebenso
viele schlechte Worte kenne ich über mich. Wirklich gerührt bin ich, weil meine Eltern
heute hier sind und weil sie Ihre freundlichen Worte mithören können; sie haben schon
vieles darüber lesen oder hören müssen, welchen Unfug ich da schon wieder fabriziert
hätte. Es freut mich, dass sie hier und heute, in einem solch ehrenwerten Rahmen, hören
können, dass es auch andere Stimmen gibt.
Ich finde es toll, in diesem Raum zu sein. Man hat mich auf den Platz der hessischen
Landesvertretung gesetzt. Ich weiß nicht, ob das Absicht ist. So muss ich zwangsläufig an
Roland Koch denken, der hier viel Porzellan zerschlagen und damit den Nachweis
erbracht hat, dass die Politik endgültig bessere, bösere Inszenierungen abliefert als das
Theater. Diese Erinnerung soll als Hinweis darauf dienen, dass ich Trash nicht unbedingt
produziere, sondern dass ich ihn finde, dass er reichlich vorliegt, dass man ihn manchmal
einfach nur montieren muss, dass man ihn eine gewisse Zeit lang sogar genießen kann.
In den Tiefen der Seele Moralist
In den tiefen Tiefen meiner Seele bin ich Moralist und, so wie meine Eltern, sehr
bürgerlich. Umso mehr wundere ich mich immer wieder darüber, wie sehr mir manche
Menschen diesen Ansatz streitig machen wollen – um daraus ihr eigenes Kapital zu
schlagen oder um von ihren eigenen Sauereien abzulenken.
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