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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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Etwas neueren Datums freilich scheinen mir zwei Phänomene zu sein. Einmal die<br />

zunehmende Gleichgültigkeit, um nicht zu sagen der Überdruß des Publikums diesen<br />

uferlosen Experimenten gegenüber. Selbstredend verfügt die Bühne heute über eine<br />

Mannigfaltigkeit der Formen und einen Reichtum an Möglichkeiten wie nie; nur sind<br />

fatalerweise diese Möglichkeiten fast durchweg zugleich auch Unmöglichkeiten, schon<br />

allein deshalb, weil sie jeden der irgendeine von ihnen ergreift, erbarmungslos zum<br />

Epigonen degradieren, da ja leider alles was immer man machen kann, bereits heute früh<br />

oder gestern und günstigstenfalls vorgestern schon von jemandem gemacht worden ist.<br />

Und außerdem kann man, wie ich fürchte, auch der Mannigfaltigkeit überdrüssig werden<br />

und mit flüchtigen Tagesreizen bis zum Gähnen überfüttert sein. Der Avantgardismus war<br />

elektrisierend, solange er originell und neu war und uns erschreckte. Inzwischen aber sind<br />

wir reichlich abgebrüht. Ich wage nicht, mir auszumalen, welche saloppen Scherze man<br />

sich in zehn oder zwanzig Jahren wird ausdenken müssen, um das Publikum noch ein<br />

wenig zu frappieren. Man darf in dieser Hinsicht so ziemlich auf alles gefaßt sein, existiert<br />

doch schon seit einiger Zeit ein Theaterstück des verehrten Meisters Picasso, in welchem<br />

– ich erzähle da keineswegs eine boshaft erfundene Anekdote, sondern referiere über<br />

eine Tatsache – in welchem Stück neben anderen neckischen Kleinigkeiten nicht nur der<br />

Auftritt einer Dirne in ihrem göttlichen Urzustand vorgeschrieben ist, sondern besagter<br />

Dame auch noch die Auflage gemacht wird, daß von ihr auf offener Bühne und auf die<br />

ihm zukommende Weise ein Nachtgeschirr zu bedienen sei... Natürlich sind solche Dinge<br />

bereits die Folge der Langeweile des Publikums; doch mag man bezweifeln, ob auf diesen<br />

Wegen das Experimentierfeld Bühne der Langweiligkeit nachhaltig entrissen wird.<br />

Das zweite Phänomen, von dem ich andeutend sprach, betrifft die andere, seriösere Seite<br />

unseres Theaters, jene nämlich, auf der es die Funktionen eines Museums erfüllt. Hier<br />

wird unsere abendländische Klassik sorgsam gepflegt und abgestaubt. Um noch einmal<br />

mit Dürrenmatt zu reden: “Hier ist der Beifall gewiß, ja Pflicht des Gebildeten, und man ist<br />

auf legitime Weise der Nötigung enthoben, nachzudenken und ein anderes Urteil zu fällen<br />

als das die Schule uns eingepaukt hat“. Jedoch scheint mir selbst auf diesem durch die<br />

geheiligte Konvention beschirmten Terrain die Sicherheit mählich in die Binsen zu gehen.<br />

Einmal nämlich verspricht der Inszenierungs- und Aufführungsstil der klassischen Werke<br />

zunehmend zu einem Problem zu werden, das sich eines Tages bis zur Unlösbarkeit<br />

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