Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
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Blues zu senden und das ganze durch Nachrichtensendungen und Werbeeinblendungen<br />
zu unterbrechen. Auch dem muß sich das Hörspiel stellen. Und deshalb treten in<br />
“Apocalypse Live” als Sänger und Sprecher fünf gänzlich unterschiedliche Charaktere auf,<br />
die allesamt im Rahmen der großen Geschichten vom Weltuntergang sich selbst spielen.<br />
Dies alles zu einer Form zusammendenken kann am ehesten das Hörspiel.<br />
Da ist als Sprecher des heiligen Johannes der britische Free-Jazz Vokalist Phil Minton,<br />
dessen Eigenart es ist, ihm vorgelegte Texte zur Unkenntlichkeit zu zersingen; da ist der<br />
Rockmusiker Alex Hacke, der die biblischen Texte mit musikalischem Ausdruck und der<br />
Leidenschaft des Pop-Gitarristen spricht; da ist der Countertenor David Greiner, dessen<br />
Stimme sich mit Arien aus Händel-Oratorien gegen all das behaupten muß; da ist der<br />
Kapuzinerpater Karl Kleiner, der sich ohne Zögern bereit erklärt hat, für solch eine<br />
Unternehmung ungerührt aus dem altgriechischen Original zu lesen; und da ist – leider<br />
muß ich sagen: da war – Hanns-Joachim Friedrichs, der in der letzten Produktion seines<br />
Lebens als Nachrichtensprecher ausgerechnet das Weltende zu moderieren hatte. Wie<br />
souverän er das so kurz vor seinem viel zu frühen Tod noch tat, erfüllt uns alle heute noch<br />
mit Beklemmung. Von hier aus geht es nur weiter mit hartem Schnitt. Ernst ist das Leben,<br />
heiter sei die Kunst. So, wie früher einmal Theaterstücke für das Hörspiel adaptiert<br />
wurden, gilt es heute, Hörspiele zu schreiben, die aus dem Medium heraus in der Welt<br />
ihren Platz finden, vielleicht auch auf Bühnen funktionieren können, ein Spektakel sind.<br />
Also gilt es, Wege zu finden, die in der Produktion so aufwendigen Kunstgebilde<br />
“Hörspiel” auch. anders als nur in dem flüchtigen Medium der Ätherwellen und in den<br />
unzugänglichen Archiven der Rundfunkanstalten zu bewahren. Der Versuch, “Apocalypse<br />
Live” auf offener Bühne und ohne doppelten Boden zu produzieren, war auch so ein<br />
Versuch. Andere wären denkbar.<br />
Wenn solch ein Unternehmen geglückt ist – und ich nehme den Preis, den sie heute<br />
verleihen wollen, ebenso wie das anhaltende Publikumsinteresse an den Hörspielen von<br />
FM Einheit und mir als Anzeichen dafür, daß unsere Unternehmungen nicht gänzlich<br />
mißraten sind –,wenn also unsere Unternehmung vielleicht als geglückt gelten kann, dann<br />
gerät leicht der Wagemut und das Engagement der Menschen in Vergessenheit, die an<br />
solch ein Projekt geglaubt, es befördert und ermöglicht haben, als dieser Erfolg durchaus<br />
absehbar war und das Scheitern mehr als wahrscheinlich schien.<br />
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