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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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Er hatte begonnen, Musik zu studieren, vor allem Komposition, wurde dann eingezogen:<br />

er war Funker bei der Artillerie, gegen Kriegsende bei der Panzerwaffe. Auf den<br />

verschiedenen “Kriegsschauplätzen” begleitete ihn stets eine Aktenmappe: sie enthielt<br />

Tagebuchaufzeichnungen und Entwürfe zu Kompositionen, vor allem zu einem<br />

Streichquartett. Ergaben sich längere Kampfpausen, so setzte er die Arbeit vor allem am<br />

Quartett fort. Was waren seine Motivationen?<br />

Zuerst einmal, ganz einfach: er wollte die Zeit ausnutzen. Dann war da eine starke Selbst-<br />

Herausforderung: etwas herstellen, gegen starke äußere Widerstände. Auch spielte dies<br />

mit: sobald er das Notenpapier ausbreitete, war der Krieg nicht mehr im Vordergrund<br />

seines Bewußtseins, hielt der Krieg sein Bewußtsein nicht mehr besetzt. War das ein<br />

Ausfluchtversuch? Oder war hier für ihn eine zweite Realität, eine für ihn als Musiker<br />

entschieden wichtigere Realität als diese Kriegsrealität, der wohl die meisten möglichst<br />

schnell entkommen wollen?<br />

Der junge Musiker versuchte eines nun allerdings nicht: diese Kriegsrealität mit<br />

musikalischen Mitteln zum Ausdruck zu bringen. Oder, anders formuliert, aber ebenso<br />

naiv, bewußt naiv: diese Kriegsrealität auf seine Komposition einwirken zu lassen. Wie<br />

würde sich auch eine Musik anhören, die Resonanz ist auf den jahrelangen,<br />

abstumpfenden, abtötenden Vernichtungslärm eines Krieges?<br />

Die Musik, die er komponierte, folgte eigenen Gesetzen: in diesem Fall den Schemata<br />

klassizistischer Kompositionstechnik, so, wie er sie damals gelernt hatte. Es geht hier nun<br />

nicht darum zu fragen, welche Qualität diese Musik hatte oder haben konnte, es geht hier<br />

allein um die Tatsache, daß während des Zweiten Weltkriegs jemand versuchte, ein Stück<br />

Kammermusik zu komponieren.<br />

Selbst Ende 1944, in Rußland, als Panzerfunker, setzte er die Arbeit fort, sobald<br />

beispielsweise der Panzer wieder einmal repariert werden mußte. In den Pausen<br />

zwischen zwei Kampfeinsätzen komponieren, das war selbstverständlich nicht möglich: zu<br />

stark war da die Nachwirkung, so groß war schon wieder die Nervosität, die Angst vor<br />

dem nächsten Einsatz: da mußte er, während des Kampfes, auf den Funkverkehr achten,<br />

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