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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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Zehntausende Bauern machten sich auf den Weg in die westdeutschen<br />

http://www.mediaculture-online.de<br />

Notaufnahmelager. Sie flüchteten vor der Kollektivierung in den goldenen Westen, der<br />

allen Arbeit gab und auch schon Herrn Globke wieder beschäftigte.<br />

1954: da kam ich als mitgenommenes Kind so einer Flüchtlingsfamilie in die BRD. Mit<br />

meiner sächsischen Aussprache und der falschen Konfession wohnte ich plötzlich im<br />

Rheinland. Ich wußte was von Oradour und Lidice von Mauthausen und Auschwitz, und<br />

noch vieles mehr hatten mir meine kommunistischen Junglehrer im Geschichtsunterricht<br />

beigebracht. Die Gleichaltrigen hier wußten dafür, wieviel Pfund der abgedankte König<br />

Faruk auf die Goldwaage brachte, dagegen war schwer anzustinken.<br />

Und wenig später nur, da wurden Kommunisten auf den Straßen verprügelt, verboten und<br />

gehetzt – wurden Leute, die was gegen den Atomtod hatten, flugs zu Kommunisten<br />

erklärt, damit sie verprügelt, verboten und gehetzt werden konnten. Soldaten gab’s auch<br />

ganz schnell – in beiden Teilen Deutschlands. Der Freiheit der Schillerkragenträger war<br />

meine Familie entlaufen. Die bunte, laute Freiheit der Händler und Unterhändler, auch<br />

diese Freiheit, verkommen zum Nichts der Redensart, wie drüben im Sozialismus in<br />

keinem Atemzug mehr genannt mit Gleichheit und Brüderlichkeit, in dieser hiesigen<br />

Freiheit, die nichts mehr mit Lebensart zu tun hatte, sondern nur noch platte<br />

Wahlkampfformel bedeutete, schlief ich ein und wurde sogar Soldat für sie.<br />

1969: da verpaßte mir einer das Berufsverbot – lange bevor der Radikalenerlaß formuliert<br />

wurde. Der weitsichtige Herr, der meine Familie – nicht mich – in Angst und Schrecken<br />

versetzte, hat heute ein gut bezahltes politisches Funktiönchen inne und stimmt ganz<br />

sicher in diesen Tagen in München für den Natodoppelbeschluß. Damals, da wachte ich<br />

wieder auf.<br />

1978: da drehte ich einen Film am gesamtdeutschen Zaun – zwischen Lübeck und<br />

Helmstedt. Leise sang ich mir mein altes FDJ-Lied beim Anblick der glänzenden<br />

Drahtschlange: “... für eine bessere Zukunft richten wir die Heimat auf!” Und ich hab’ mich<br />

geschüttelt vor der Wirklichkeit, die wir damals Zukunft nannten, dieser bürgerlichen<br />

Heuchelei deutscher Kommunisten.<br />

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