Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
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Stimme frei verfügen zu dürfen, gaben sie mir die Möglichkeit, ein in authentischen<br />
Dokumenten artikuliertes Bewußtsein neu und deutlicher zu formulieren.<br />
Mit dieser Herstellungspraxis wird zugleich einem weitverbreiteten Glauben an die<br />
Authentizität von Dokumenten widersprochen, der naiv für Wirklichkeit hält, was ihm als<br />
Dokument geboten wird. Dieser Glaube sieht nicht, daß es sich bei jedem Dokument nur<br />
um Ausschnitte handeln kann, und daß bei der Auswahl dieser Ausschnitte immer bewußt<br />
oder unbewußt manipuliert, Wirklichkeit also mehr oder weniger verfälscht wird. Am<br />
fatalsten dürfte sich dieser Glaube im politischen Bereich auswirken. – Wenn dem so ist,<br />
kann ich nicht einsehen, daß nun auch noch Hörspielautoren diesen Glauben an die<br />
Authentizität von Dokumenten fördern, indem sie ihr Material so wenig wie möglich<br />
verändern. Gerade das Original-Ton-Hörspiel gibt die Möglichkeit, durch offenes<br />
Eingeständnis der Manipulation diese aufzuheben und damit auch den Glauben an die<br />
Authentizität von Dokumenten abzubauen.<br />
Dokumente, wurde gesagt, sind nur Ausschnitte aus der komplexen Wirklichkeit. Die<br />
vollkommene Darstellung der Wirklichkeit müßte den ganzen Zusammenhang geben. Das<br />
aber ist nicht nur unmöglich, sondern schon wirklich, nämlich vorhanden, allerdings nicht<br />
durchschaubar. Aber genau darum geht es: um Erkenntnis. – Bleiben also die Ausschnitte<br />
in Form von Dokumenten. Bleibt das Eingeständnis, daß es sich um Ausschnitte handelt.<br />
Bleiben die Auflösung dieser Ausschnitte und die Unterbringung der Bruchstücke in einem<br />
künstlichen Zusammenhang, in einem Gegenspiel, in einer Gegenwirklichkeit: diese bleibt<br />
hart an einer korrumpierten Wirklichkeit und spielt ihre in kritisches Material veränderten<br />
Dokumente gegen sie aus.<br />
In einem Studio des Bayerischen Rundfunks wurden die verwendeten, im Manuskript<br />
numerierten Textstellen – etwa fünfhundert – aus den Bändern herausgeschnitten und<br />
wieder zu einem Hauptband zusammengeklebt. Einige Wochen später wurde das<br />
Hörspiel durch Hereinnahme von Musik und Geräuschen in seine endgültige Form<br />
gebracht.<br />
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