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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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müssen, mit einigen ganz persönlichen Überlegungen konfrontiert zu werden: über das<br />

Radio, den Jazz und das Hörspiel.<br />

Ich habe über das Hörspiel nachgedacht und bin zu ganz merkwürdigen Ergebnissen<br />

gekommen: ich weiß wenig vom Hörspiel; fast nichts. Die Entwicklung der Gattung, die<br />

Hörspielgeschichte, ist mir nahezu unbekannt. Ich habe in meinem Leben allenfalls – und<br />

das ist eher zu hoch gegriffen – 30 Hörspiele gehört.<br />

Dennoch halte ich mich für eine Art Radio-Manen; für einen leidenschaftlichen Liebhaber<br />

des Radios. Und so unklar meine Kenntnisse vom Hörspiel auch sein mögen; meine<br />

Vorstellungen vom Radio sind sehr genau, sehr konkret, sehr differenziert. Ich behaupte<br />

sogar, daß das Radio in einer bestimmten Phase einer der wichtigsten Gegenstände<br />

meines Lebens war. Zeit und Ort sind dabei von allergrößter Bedeutung: zwischen 1947<br />

und 1953, in Thüringen, in der DDR. Das war die Zeit meiner ersten Bekanntschaft mit<br />

dem Jazz, in einer Gegend, in der der Jazz zwar nicht ausdrücklich verboten war, aber<br />

doch allgemein als anstößig galt, als etwas, das gegen die Gesundheitsvorstellungen<br />

einer sehr mürrischen, ungemein langweiligen Kulturideologie verstieß. Diese Musik<br />

konnte ich nur im Radio kennenlernen und nur mit Hilfe des Radios hören. Schallplatten<br />

gab es kaum. – Wir alle wissen, daß eine Mangelsituation die Zuneigung zu den Objekten<br />

der Leidenschaft verstärkt: die Neigung zum Radio ist also zugleich die Neigung zum Jazz<br />

– und umgekehrt.<br />

Radio. Jazz. Ich spreche da nicht von Radio Leipzig; ich spreche selbstverständlich von<br />

den Sendungen aus der Fremde; von Sendungen, die an den äußersten Rand des<br />

Programms gedrängt waren: Jazz war damals auch im westlichen Teil Deutschlands<br />

etwas eigentlich Unfeines, etwas leicht Verruchtes, Unanständiges. Immerhin: gegen<br />

Mitternacht war es möglich. Und aus diesem Grund ist das Radiohören bis heute für mich<br />

verbunden mit einer schönen einsamen Dunkelheit: mit der Nacht. Radio war ein<br />

nächtliches Ereignis. Es hatte etwas angenehm Gefährliches, etwas zart Unerlaubtes.<br />

Und die Dunkelheit war gewissermaßen Voraussetzung für ein konzentriertes und<br />

zugleich sinnliches Hörabenteuer.<br />

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