Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
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vom Kommandopanzer her, mußte gleichzeitig sein Schußfeld beobachten, mußte mit<br />
dem Maschinengewehr schießen.<br />
Bei all diesen Einsätzen steckte neben seinem Sitz, vorne rechts, die Mappe mit dem<br />
Streichquartett. Bis schließlich, Januar 45, der Panzer getroffen wurde, am Heck. Da gab<br />
es für ihn nur eins: die Luke hochstoßen, aus dem Panzer springen, sich im Schnee<br />
wegrollen, reglos liegenbleiben, um von der russischen Infanterie nicht beschossen zu<br />
werden: kurz nach diesem Sprung explodierte der Panzer, die Besatzung konnte sich<br />
nicht mehr retten. In diesem Panzer auch seine Mappe mit Aufzeichnungen, mit dem<br />
unfertigen Streichquartett.<br />
Bevor ich nun das zweite Beispiel bringe, möchte ich mit Betonung sagen, daß ich hier nur<br />
Beispiele bringe für ein Verhalten, das dem (von mir erfundenen) Verhalten des Musikers<br />
Goldberg entspricht: das Modell wird an Realität gemessen. Dabei bewerte ich weder die<br />
Musik der beiden Komponisten (hier wäre erheblich zu differenzieren!), noch versuche ich,<br />
ein Urteil über ihr Verhalten abzugeben, das steht mir nicht zu.<br />
Ausdrücklich möchte ich auch dies noch betonen: diese Beispiele sind keine Illustrationen<br />
zu einem Satz aus der Begründung dieser Preisverleihung; da heißt es: “Wir brauchen die<br />
Kunst, um die Wirklichkeit ertragen zu können.” In dieser Funktion würde Kunst mit Recht<br />
angegriffen. Ich will nun allerdings keine Alternativ-Antworten entwickeln: Zu solchen<br />
pauschalen Aussagen kann mich auch eine Festrede nicht verleiten.<br />
Der zweite Komponist, von dem ich Ihnen kurz berichten will, Anton Webern, hat am<br />
vorigen Weltkrieg nicht als Soldat teilgenommen: er war Jahrgang 1883.<br />
Anton Webern, einer der großen Komponisten der sogenannten Wiener Schule, hatte<br />
kaum äußere Erfolge, seine Lebensumstände waren bescheiden, sehr bescheiden. Als<br />
die Nationalsozialisten in Österreich einzogen, wurden seine geringen<br />
Einkunftmöglichkeiten fast völlig aufgehoben – Webern galt als “Neutöner”, damit als<br />
“Kunstbolschewik”. Er zog sich zurück in sein Haus bei Mödling, bestellte seinen Garten,<br />
setzte seine Kompositionsarbeit fort. In den Jahren 1941 bis 1943 war es vor allem die 11.<br />
Kantate für Sopran- und Baß-Solo, gemischten Chor und Orchester, op 31.<br />
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