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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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Nun: Dürrenmatt ausbeutend, in dieser Unmoral des Hörspiels, Stoffe und Themen zu<br />

verwerten, würde ich ein wenig umfunktionieren. Der <strong>Autor</strong> lädt sich einen von diesen<br />

Kritikern, die einem wie Staubsaugervertreter nachlaufen, zum Fischessen ein. Er hat<br />

grätenreiche Fische ausgesucht, in der Hoffnung, der Gast werde im Satz ersticken. Der<br />

Kritiker wiederum ist gekommen, dem <strong>Autor</strong> den Garaus zu machen. Wir sind in der<br />

gewendeten deutschen Neuzeit. Der Medienmann kennt die Werke des <strong>Autor</strong>s nicht, er<br />

kennt dessen Akten. Der Anlaß seines Besuches könnte eine Preisverleihung sein; die<br />

möchte er torpedieren. Im Namen der Moral, für die er seine weiße Weste trägt. »Kritiker<br />

und Schriftsteller«, sagte Dürrenmatt einmal in einer Festrede, »sind Fische im gleichen<br />

Aquarium.« Das mag wohl so in den fünfziger und sechziger Jahren gewesen sein. Heute<br />

sind unsere Aquarien eher die Niederungen der Talkshows, die weder ein Werk erkennen,<br />

noch den luziden Geist der Kritik leuchten lassen.<br />

Der geladene Kritiker, in seinem Fisch stochernd, bei laufender Kamera, eingeschaltetem<br />

Mikrophon, muß vergessen machen, daß er aussieht wie ein verwester Säugling, daß er<br />

ein Leichenfledderer und Fassadenkletterer ist, als er einmal der erste sein wollte im Haus<br />

eines in England gestorbenen Schriftstellers; er kann sich auf das schlechte Gedächtnis<br />

der Zuschauer und Zuhörer verlassen, the Show must go on, und: Das Bild ist die<br />

Botschaft.<br />

Doch der böse Korbes läßt sich nicht aus der Reserve locken. Er winkt ab, mit seinem<br />

Werk hat er abgeschlossen, dieser Preis ist der letzte, der ihm verliehen werden wird;<br />

keine Zeile will er mehr veröffentlichen, er gibt den Boykott zurück, der ihm droht. Allein –<br />

es reizt ihn die Situation. Sein Gegenüber verwandelt sich kraft der Magie des Hörspiels in<br />

andere Personen, schon hat er Zitate parat, die Redakteurin einer Zeitung hat ihn ein<br />

Charakterschwein genannt; nun sitzt sie vor ihm, und ehe sie an der Gräte erstickt, gibt er<br />

mit Horaz zu, ein Schwein aus der Herde Epikurs zu sein – zuviel Bildungsgut für eine<br />

Maulhure im Stall der Medien.<br />

Aber er kann nicht an der Wahrheit vorbei, er wird dieses Stück schreiben, entgegen<br />

seiner Vorsätze, er wird sich selber nicht schonen, er wird seine Labilität zum Bösen<br />

preisgeben, diese Abgründe der deutschen Seele ... Was er getan, reicht an keinen Mord,<br />

noch nicht, und säße ihm ein anderer gegenüber, würde er über die fatale Dialektik von<br />

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