Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
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Bruckners Sinfonien, die Werke Johann Sebastian Bachs, sie rauschen vorbei und<br />
können nur als Geräusch empfunden werden, an das man sich gewöhnt, denn die<br />
Lautsprecher sind schon neben der Wiege und dem Kinderbett. Wenn nun diese Kinder<br />
zwölf oder vierzehn Jahre alt sind und zum ersten Male einen Konzertsaal betreten,<br />
werden sie dann noch die gleiche Erschütterung erleben wie die Menschen meiner<br />
Generation? Als mich meine Eltern zum ersten Male in ein Konzert der Berliner<br />
Philharmoniker mitnahmen, da war das ein Festtag für mich, und ich war überwältigt. Wird<br />
in Zukunft einen jungen noch das gleiche Jubilate anrühren? Sind die Ohren nicht<br />
vielleicht stumpfer geworden?<br />
Angesichts solcher Sorgen ist es um so beglückender, zu wissen: Es gibt auch neben<br />
dem Vorbeihörer den anderen, den schöpferischen Hörer, der über alle<br />
“Nebengeräusche” hinweg den ausgesendeten Ruf hört und der antwortet: Ja, ich bin da,<br />
ich habe dich gehört, ich habe dich verstanden, und ich danke dir. In diesem Austauschen<br />
eines gegenseitigen Dankes sehe ich den Sinn des Hörspielpreises der Kriegsblinden,<br />
und ich bin sehr stolz, daß ich ihn heute empfangen darf.<br />
Vielleicht erwarten Sie nun von mir eine grundsätzliche Stellungnahme zum Thema<br />
Hörspiel, zu dieser jungen Kunstgattung also, die so beharrlich und energisch darauf<br />
pocht, neben der Bühnendramatik gleichberechtigt und ernst genommen zu werden. Ich<br />
habe ein viel zu großes Mißtrauen gegenüber allem “Grundsätzlichen”, gerade auf dem<br />
noch so traditionslosen Boden des Hörspiels, und ich bin viel zu sehr ein Mann der Praxis,<br />
als daß ich mit geschliffenen Aphorismen aufwarten könnte. Und lassen Sie mich<br />
gestehen, daß für mich jede Arbeit an einem neuen Hörspiel noch immer ein Abenteuer<br />
ist, vergleichbar mit dem eines Mannes, der sich in einer kleinen Nußschale aufs offene<br />
Meer begibt. Denn es ist ja doch so, daß das Hörspiel nicht allein von der Kraft, von der<br />
Bildhaftigkeit, von der Suggestivität des Wortes lebt, es ist ja vor allem an eine sehr<br />
komplizierte Technik gebunden, die sich immer noch weiter entwickelt, so daß wir immer<br />
neue Ausdrucksformen und Möglichkeiten im akustischen Raum entdecken. Und gerade<br />
das ist ja das Faszinierende für einen <strong>Autor</strong>, einmal selbst die Pfade durch das Dickicht<br />
eines neuen, eines unbekannten Landes zu schlagen, in dem es noch nicht von<br />
Wegweisern, von Grenzpfählen und von Verbotstafeln wimmelt.<br />
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