Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
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verliert die Fähigkeit zu sagen, wie mirs ums Herz ist. Zugleich gewinnt jede, auch nur<br />
zufällig vom Apparat festgehaltene Äußerung einmaligen Identitätswert.<br />
Was als übergreifende Identitätskonstruktion nicht mehr haltbar ist, zerlegt sich zugleich in<br />
eine Vielzahl von authentischen Einzeläußerungen, in denen etwa eine klassifizierende<br />
Typologie leichter zu konstruieren ist als die Identität des Subjekts. Das wird bei Kagel wie<br />
bei Mon unmittelbar hörbar.<br />
Wenn aber der Ausgangspunkt bei allen technischen Medien in der Überzeugung zu<br />
suchen war, man könne mit diesem Medium unendlich vervielfältigen, was man im<br />
Medium bloß aufgibt, wobei der Klartext in seinem Charakter sich nicht von früheren<br />
Mitteilungen unterscheiden würde, so kehrt sich hier bei dem mit seiner eigenen<br />
Problematik eingelassenen Hörspiel das Verhältnis um. Nicht die bloße Vervielfältigung ist<br />
charakteristisch, sondern der Charakter des Aufnahmezustandes, des Dabeiseins des<br />
Mediums bei dem, was nicht für das Medium präpariert ist, sondern was als es selbst, als<br />
das mit sich authentisch Akustische ans Medium gekettet wird. je mehr aber das Medium<br />
das Instrument des Dabeiseins wird – und das neue Hörspiel ist in seinen<br />
verschiedensten Ausprägungen ein demonstratives Versuchsfeld dafür – um so mehr<br />
verändert sich auch das Strukturmodell. Denn dem, der weiß, wie Dabeisein gehandhabt<br />
wird, wächst Befugnis aus der Sache zu. Die mögliche Lenkbarkeit des Apparats wird<br />
unterbrochen, und im Dabeisein haben Sender und Empfänger, Verwalter wie Hörer einen<br />
möglichen Ort, an dem sie sich austauschen können. Deutlich sichtbar wird das<br />
wahrscheinlich erst dann, wenn auch das, was bisher in der Vermittlung, als bloß<br />
vermittelte Vervielfältigung von vorgegebenen Klartexten verbreitet wird, nicht mehr als<br />
dies Vermittelte gehört wird, sondern seinerseits als eine Abart von Authentizität, in der<br />
etwa die Stimmfärbung des vorlesenden Sprechers der Semantik des Textes gleichwertig<br />
wird. Wenn eine Einzelperson ins Programm eingreifen würde, würde der Hörer den<br />
Eingriff nicht in seinem inhaltlichen Argument begreifen, sondern als etwas Authentisches<br />
über den Eingreifenden.<br />
Die Frage, wer das neue Hörspiel erlaubt habe oder wer es verbieten könne, läßt sich also<br />
nicht beantworten. Programmbefugnis, Programmkapazität wurde abgegeben an<br />
Abteilungsleiter, Dramaturgen, <strong>Autor</strong>en, Spielleiter. Sie folgten den Konsequenzen und<br />
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