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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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Wir sitzen im Digitalstudio vor Bildschirmen, auf denen sich die verschiedenen<br />

akustischen Partikel, Musik und Sprache, in ihrer dynamischen Entwicklung optisch<br />

darstellen, als Kurven. Schmal, sich verbreiternd, ausgreifend bilden sie exakt den Verlauf<br />

der Lautstärke ab. Wir haben den Überblick über den Bereich, den wir uns fest eingestellt<br />

haben, und wir können alle Übergänge zwischen laut und leise ablesen wie in einem<br />

Notenbild.<br />

Zuerst half uns der Computer beim Anpassen des Texts. Ich habe die Worte zwar nach<br />

dem musikalischen Konzept von Peter Avar – direkt in die Partitur gesetzt, aber die<br />

Übereinstimmung ließ sich nur akustisch überprüfen, mit der Einspielung der Musik. Wir<br />

zerlegten sie in kleine und kleinste Teile und wiederholten sie so lange, bis die Worte, die<br />

wir dazu sprachen, der Musik folgten, wie wir es wünschten. Dabei benutzten wir den<br />

Bildschirm mit seinen Präzisionsmustern mitunter wie eine Staffelei: Wir begannen, starre<br />

Konturen zu verwischen, allzu strenge Kongruenzen in gegenläufige Bewegungen<br />

aufzulösen.<br />

Nach den Aufnahmen mit den Darstellern, bei der Mischung, kam es darauf an, daß die<br />

Worte genau an den Stellen in den Noten saßen, in die wir sie “komponiert” hatten. Die<br />

Schauspieler haben zwar meistens “auf Musik” gesprochen, sie trugen Kopfhörer, über<br />

die wir ihnen die Phrasen einspielten, und sie bekamen außerdem Einsätze. Kleine<br />

Ungenauigkeiten waren trotzdem nicht zu vermeiden; schließlich mußten wir oft mit<br />

Sechzehntelnoten, mit Millisekunden rechnen. Solche minutiösen Korrekturen sind nur im<br />

digitalen System möglich; wir können die Spuren hin- und herschieben – bis zur<br />

Übereinstimmung der einzelnen Teile.<br />

Schließlich brauchten wir den Computer bei der akustischen Koordination von Musik und<br />

Wort. Die musikalischen Konflikte in Schostakowitschs 10. Symphonie werden in langen,<br />

hochdramatischen Spannungsbögen ausgetragen; wir wollten sie soweit wie nur möglich<br />

erhalten. Am Bildschirm konnten wir extreme Spitzen in der Musik minimal absenken und<br />

die Sprache, ein einzelnes Wort, oft nur eine Silbe, ebenso minimal anheben. Der<br />

dynamische Bogen der Musik insgesamt blieb dabei unbeschädigt.<br />

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