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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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feines Ohr. Unbeirrbar sitzt er da. Man kann nicht wissen, ob man ihn erreicht und muß<br />

immer damit rechnen, von ihm verhört zu werden.<br />

Ich bedanke mich für dieses Geschenk, ich danke den Kriegsblinden für diese<br />

Auszeichnung, die durch sie einen besonderen Sinn erhält. Wenn ein Hörspiel gelingt,<br />

dann hat es seine Kraft aus einem Mangel gewonnen, dann hat sich im Unsichtbaren eine<br />

neue Welt konzentriert. Sie, die diesen Preis vergeben, leisten diese Arbeit jeden Tag. Ich<br />

nehme den Preis nicht nur für mich, sondern auch stellvertretend entgegen, denn andere<br />

haben an der Realisierung des Stückes mitgewirkt, vor allem der Regisseur Friedhelm<br />

Ortmann, die Schauspieler Julia Costa und Hans Quest und der Süddeutsche Rundfunk,<br />

der sich als erster des Stückes angenommen hat.<br />

Lassen Sie mich jetzt noch kurz von einer Erfahrung berichten, die ich in den letzten<br />

Tagen gemacht habe. Ich las in der Presse viele Aufsätze über mein Stück und fand, daß<br />

man mich verblüffend gut verstanden hat. Kein Kritiker oder Referent blickte am Problem<br />

vorbei. Alle hatten erkannt, daß der Handlungskern des Stückes, die geplante<br />

Schwangerschaftsunterbrechung der konkrete Anlaß ist, zwei Daseinsformen<br />

gegeneinander zu stellen und kritisch kenntlich zu machen: Bewußtsein und Instinkt,<br />

Rationalität und elementares Leben. Willkür und Gebundenheit, so oder ähnlich wurden<br />

sie charakterisiert. Und auch die kritische Perspektive, in der dieser Gegensatz erscheint,<br />

war deutlich geworden: wie nämlich der Mann in der Abwehr gegen das elementare<br />

Faktum der Schwangerschaft sich zu erkennen gibt als eine ortlose, isolierte Existenz, als<br />

ein Intellekt, der keinen schicksalhaften Anspruch gelten läßt, der in jeder Situation frei<br />

verfügen will und auf das Leben eine kalte technische Antwort hat. Der aus allen<br />

Zusammenhängen gelöste Intellekt, der technische Geist, der die vorgegebene Welt nach<br />

Belieben manipuliert, zeigte sich hier in mörderischer Konsequenz. Das war verstanden<br />

worden. Die Kritiker konnten den letzten Satz der Frau, mit dem das Stück schließt, die<br />

hier noch zögernd angedeutete Einsicht “Vielleicht sehe ich jetzt, wer du bist” ohne Zögern<br />

für sich in Anspruch nehmen.<br />

Ich las also viele intelligente Interpretationen meines Stückes und hätte zufrieden sein<br />

können. Jede einzelne hätte wahrscheinlich mehr oder minder diesen Effekt gehabt. Aber<br />

die Wiederholung wirkte umgekehrt auf mich. Es war, als sollte mir etwas suggeriert<br />

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