Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun
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Wer die Zukunft nur mit Furcht erwartet, impft sie mit Schrecken! Wie befangen sind wir in<br />
den schlechten Erfahrungen einiger Jahrzehnte. Ja, ich behaupte, daß der Mangel an<br />
Kraft in unserem Denken ein gefährliches Vakuum bildet, das magisch die Gewalt anzieht,<br />
vor der wir uns zu hüten gelernt haben sollten. Die Barbarei wartet doch nur darauf, die<br />
allzu Feinsinnigen, die Überängstlichen, die Hyperklugen zu fressen. Nein, auch die<br />
Menschlichkeit braucht Muskeln. Nur das Grauen soll authentisch sein? Das ist eine jener<br />
modernen Heulweisheiten, die jeden Kolumbus sein Amerika kosten würde, weil er vor<br />
lauter Tränen den Kompaß nicht sähe. Aber sind Tränen zum Heulen nicht zu schade?<br />
Ich sage, es fehlt an Heiterkeit. Ich meine Heiterkeit – nicht die böse Lust der<br />
Demaskierung, die heute überall in ungenialem Schwange ist. Ich meine nicht jene Satire,<br />
die sich human gebärdet und die menschlichen Tugenden durch Unappetitlichkeiten<br />
bestsellernd entwürdigt. Ich meine nicht die törichte Leichtfertigkeit, alle Grenzen der<br />
Manieren zu überschreiten und damit jede Sünde strapazierend zur Langeweile zu<br />
degradieren.<br />
Nein, ich spreche von der echten Leichtigkeit, dem Spiel. Wie viele Vorteile hat die<br />
Heiterkeit! Wie chevaleresk entbindet sie uns, wo es nottut, von der Logik und ihren<br />
Kriechwahrheiten! Wie gnädig stoppt sie den Marschschritt der Wirkungen, deren Ursache<br />
wir selbst gewesen sind. Wie klug macht sie Freund und Feind zu Zeitgenossen, zu<br />
Brüdern einer Epoche im großen Spiel der Generation.<br />
Ich bekenne auch, daß ich die Oberfläche liebe. Die Oberfläche nämlich ist zu Lande und<br />
zu Wasser gemacht, daß wir auf ihr leben. Was tun wir? Wir treten sie mit Füßen,<br />
verachten sie als das Selbstverständliche, fliegen mit unseren Gefühlen in den Himmel,<br />
tauchen mit unseren Gedanken in die Tiefe, wo wir – weder Fisch noch Vogel – eigentlich<br />
doch gar nichts zu suchen haben. Ich mag die Oberfläche, sie ist unsere Heimat, was die<br />
Luft, die Kartoffel, den Weg betrifft. Sie kann Lob vertragen.<br />
Und ich liebe das Spiel, dieses Scheinduell, das einem die Möglichkeit macht, amüsiert<br />
aus der Wirklichkeit zu springen und höchst ernsthaft die Wirklichkeit als das zu nehmen,<br />
was sie ist: Unser Gedanke! Man darf nicht alles glauben, was ist – es bestärkt die<br />
Schlechtigkeit! Dafür sollte man manchmal glauben, was nicht ist. Das schafft neue<br />
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