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Autor: Tilmann P - Schorsch Kamerun

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entstanden sind, zu sehr an die Operationssäle unserer großen Kliniken, wo es ja auch<br />

passieren soll, daß man über den sehr gewagten und kunstvollen Eingriffen, die hier<br />

vorgenommen werden, den Menschen selber vergißt. Mit einem Wort: Die Art Hörspiel,<br />

die hier entsteht, ist nicht meine. Auch der Maßstab, sie zu bewerten, nicht. Denn mag<br />

hier auch, als Nebenprodukt einer kopflos sich weiterentwickelnden Technik, Neues und<br />

immer Neues möglich werden, so frage ich mich doch: Was soll’s? Vielleicht hat es vorher<br />

noch keiner gemacht, muß ich es deshalb machen? Auch wird Ihnen jede Modistin sagen,<br />

daß die Novität von heute der Ladenhüter von morgen ist.<br />

Ich bin Schriftsteller, gehöre also zu einer urtümlichen Zunft. Mein Interesse gilt weniger<br />

den Möglichkeiten des Mediums als denen des Menschen, mit ihm ist mein Los enger<br />

verknüpft. Der Schauplatz meiner Werke, ob man sie nun liest oder hört, ist und bleibt der<br />

Menschenkopf, der, da es ein moderner Kopf ist, ein unübersichtlicher und heikler, von<br />

allen Seiten bedrängter, von Druck, Lärm und Gestank unablässig überfluteter, mit sich<br />

selbst und den anderen tödlich entzweiter Kopf ist. Davon handle ich. Dabei ziehe ich es<br />

vor, daß das, was ich über ihn sagen möchte, die anderen Köpfe, also meine Hörer, ohne<br />

großen technischen Aufwand erreicht, der lenkt dabei womöglich nur ab. Um die<br />

Verformungen und Entstellungen unserer Köpfe – meines, deines, unser aller –<br />

aufzuzeigen, habe ich keine Modulations- oder Filtergeräte, sondern nach alter<br />

Schriftstellerart, die Sprache nötig, die unverstellt und nackt sein darf. Denn da ich nun<br />

einmal ein Schriftsteller bin, ist meine Weit, ob auf dem Papier oder auf dem Tonband,<br />

nun einmal literarisch.<br />

Der Gedanke an eine Aufdröselung einzelner Wörter oder Sätze, die uns, weil es noch<br />

nicht gemacht worden ist, beim ersten Hören in Erstaunen setzt, liegt mir beim<br />

Wiederhören doch fern, weil ich mich über die Inhaltlichkeit unserer Wörter und Sätze,<br />

über ihre oft schmerzhaften, ganz konkreten Bedeutungen nicht hinwegsetzen kann. Daß<br />

ich mich dabei innerhalb einer Konvention bewege, ehrt mich, stört mich nicht. Jedes<br />

Spiel muß seine Regel haben. Diese zum “Problem” zu machen oder zu “entlarven”, kann<br />

nicht meine Sache sein. Ich bleibe beim konkreten Fall, welcher, recht behandelt, ja<br />

sowieso “exemplarisch” wird und über sich hinausweist. Mit anderen Worten: Ich bin ein<br />

Moralist, wenn auch ein hoffnungsloser. Denn der Gedanke, daß man, beispielsweise mit<br />

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