Scheidung, Trennung – Scheidungs- und Trennungsvereinbarungen
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I. Eine neue Situation?<br />
Durch die Unterhaltsrechtsreform 1 ist das BGB verändert worden, nicht<br />
aber das Gr<strong>und</strong>gesetz der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. Da sich die<br />
Prinzipien der richterlichen Vertragskontrolle als Einschränkung der<br />
Vertragsfreiheit, besser eigentlich: als Herstellung wahrer Vertragsfreiheit<br />
aus dem Gr<strong>und</strong>gesetz herleiten, kann sich <strong>–</strong> so möchte man denken<br />
<strong>–</strong> durch einfache B<strong>und</strong>esgesetzgebung nicht viel geändert haben.<br />
Und doch spüren wir, dass der rechtspolitische Zug der Zeit, der die<br />
Reform angetrieben hat, sich auch auf die Interpretation der Vertragsfreiheit<br />
auswirken könnte. Dem B<strong>und</strong>esgerichtshof verdanken wir die<br />
Theorie vom Kernbereich der <strong>Scheidung</strong>sfolgen. Erleben wir nun, dass<br />
durch die Gesetzgebung eine juristische Kernschmelze stattfindet?<br />
Kann man nicht sagen: Wenn der Spielraum der Gerichte für Kürzung,<br />
Senkung <strong>und</strong> Versagung von Unterhalt größer geworden ist, dann muss<br />
sich doch auch der Spielraum für vertragliche Reduzierungen erweitert<br />
haben? Wenn es ein wichtiges Ziel des Gesetzgebers war, die Eigenverantwortung<br />
geschiedener Frauen zu stärken, 2 soll diesen Frauen<br />
dann durch Vertrag nicht zusätzliche Stärkung zu gönnen sein? Doch<br />
sehen wir zu. Die Sache ist kompliziert, weil unbekannte <strong>und</strong> fließende<br />
Größen miteinander in Verbindung zu bringen sind.<br />
Zum einen erscheinen die Prinzipien der richterlichen Vertragskontrolle<br />
nicht als statische Größe. Schon die unterschiedlichen Ansätze bei<br />
BVerfG <strong>und</strong> BGH können für Zweifel sorgen: Während das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht<br />
den entscheidenden Hebel für die Vertragskontrolle in<br />
der Frage der Disparität der Willensmacht der Parteien, in der Frage der<br />
Dominanz einer der Parteien über die andere bei Vertragsschluss sieht,<br />
legt der BGH eher objektive Kriterien an, die freilich im Kontext mit allen<br />
auch subjektiven Umständen des Einzelfalls angewendet werden sollen.<br />
Auch wenn man sich in erster Linie an den BGH mit seiner ausdifferenzierten<br />
Doktrin halten will, muss man mit Fortentwicklungen rechnen:<br />
Mit fast jeder BGH-Entscheidung kommen neue Elemente hinzu oder<br />
werden bisherige relativiert. Wie schwierig die Lage ist, zeigt die Tatsache,<br />
dass nicht wenige Oberlandesgerichte in ihrem redlichen Bemühen,<br />
es dem BGH recht zu machen, keine Gnade vor den kritischen<br />
1<br />
Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 (BGBl. I S. 3189), in Kraft<br />
gesetzt zum 1.1.2008.<br />
2<br />
So der Ausdruck der Regierungsbegründung für das, was man auch „Reduzierung<br />
des Geschiedenenunterhalts“ hätte nennen können, vgl. BT-Drucksache 16/1830,<br />
S. 13.<br />
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