Achter Bericht des amtsführenden Stadtrates für - Wien Museum
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Im Ergebnis hätte jedenfalls die Entlassung Herbert Gutmanns „keine rassistische<br />
Komponente“ gehabt. Ziegler und Münzel führen dabei quasi als Beweis an, dass auch<br />
die beiden neuen Führungspersönlichkeiten der Dresdner Bank zwischen September<br />
1931 und März 1931 im NS-Jargon „Nichtarier“ gewesen seien. Wie marginal<br />
antisemitische Ressentiments vor 1933 gewesen seien, wäre auch daran erkennbar,<br />
dass der Anteil der konfessionell jüdischen Mitglieder im Vorstand der Dresdner Bank<br />
nach dem September 1931 mit vier von sechs Mitgliedern deutlich höher als bei jeder<br />
anderen Großbank gelegen sei. 58 Auf der anderen Seite gestehen aber Ziegler und<br />
Münkler zu, dass gerade der aufrechte Demokrat und „Netzwerkspezialist“ der<br />
Weimarer Republik Gutmann, der mit Walter Rathenau, Gustav Stresemann sowie den<br />
Reichskanzlern Hans Luther und Kurt von Schleicher freundschaftliche Kontakte<br />
pflegte, ein besonderes Hassobjekt der Nationalsozialisten gewesen sei, wovon auch<br />
ein Hetzplakat der NSDAP zur Reichstagswahl am 6. November 1932 zeugt, das<br />
Herbert Gutmann als einen der „jüdischen Hintermänner der Reichsregierung“ nennt. 59<br />
Es herrscht bei allen Autoren der Aufsätze in Vivan Rheinheimers Sammelband über<br />
Herbert Gutmann Einigkeit darüber, dass der Tag der Machtergreifung der<br />
Nationalsozialisten am 30. Jänner 1933 der „entscheidende Wendepunkt“ im<br />
wirtschaftlichen Leben Herbert Gutmanns gewesen sei. 60 Im Zeitraum bis zu den<br />
Apriltagen <strong>des</strong> Jahres 1934, der Versteigerung der Kunstsammlung Herbert Gutmanns,<br />
hatten die Nationalsozialisten mit zwei drastischen Maßnahmen begonnen, Juden<br />
gewaltsam aus dem deutschen Wirtschaftsleben zu verdrängen: Mit dem Boykott von<br />
Geschäften jüdischer Inhaber und der Ersten Verordnung zur Durchführung <strong>des</strong><br />
Gesetzes zur Wiederherstellung <strong>des</strong> Berufsbeamtentums vom 11. April 1933. 61 § 3 sah<br />
vor, dass „Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, in den Ruhestand zu<br />
versetzen“ seien. Noch vor dem Beschluss der Nürnberger Gesetze am 15. September<br />
1935 definierte die Verordnung, deren Anwendung wenig später auch auf<br />
Staatsbetriebe ausgedehnt wurde, eine Person als „nicht arisch“, wenn sie von „nicht<br />
arischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Großeltern abstammt(e)“. Herbert<br />
Gutmann berührten diese Maßnahmen vorerst nicht direkt.<br />
58 Ebda. S. 53.<br />
59 Ebda.<br />
60 Vivian J. Rheinheimer, Behaltet mich in guter Erinnerung. Herbert M. Gutmann – eine Lebensbeschreibung, S. 28.<br />
Martin Münzel / Vivian Rheinheimer, Ein unheilvoller Tag. Der 30. Juni 1934, S. 35f. Jan Thomas Köhler / Jan<br />
Mahrun, Eine Wunderkammer, Gutmanns Kunstsammlung, S. 139.<br />
61 RGBl. I. S. 195.<br />
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