Achter Bericht des amtsführenden Stadtrates für - Wien Museum
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Auf der Suche nach Erklärungen, warum die Entlassung Herbert Gutmanns aus dem<br />
Vorstand der Dresdner Bank trotz seiner Tätigkeit als Vorsitzender <strong>des</strong> sächsischen<br />
Lan<strong>des</strong>ausschusses und als privater Finanzberater einschneidende materielle<br />
Einschränkungen nach sich zog, die bei einem Vergleich mit anderen entlassenen<br />
Vorstandsmitgliedern als an sich ungewöhnlich erscheinen, reichte deren Einkommen<br />
doch fast immer <strong>für</strong> die Aufrechterhaltung eines großbürgerlichen Lebensstils,<br />
beleuchten Dieter Ziegler und Martin Münzel in ihrem Aufsatz ein weiteres<br />
wirtschaftliches Standbein Herbert Gutmanns: Der Rechtsvertreter der Familie hatte im<br />
Zuge von Rückstellungsbemühungen nach 1945 festgestellt, dass nicht allein die<br />
Vorstandstätigkeit Gutmanns zu berücksichtigen sei, „habe doch seine eigentliche<br />
Tätigkeit in der eines Aufsichtsratsmitglieds oder, in einzelnen Fällen, <strong>des</strong> Vorsitzenden<br />
<strong>des</strong> Aufsichtsrats bestanden“. 62 Vor der Bankenkrise <strong>des</strong> Jahres 1931 hatte Gutmann<br />
mit insgesamt 51 Sitzen in verschiedenen Aktiengesellschaften als bedeutendster<br />
„Netzwerkspezialist“ der Weimarer Republik gegolten. Nach seinem Ausscheiden aus<br />
dem Vorstand und aufgrund gesetzlicher Bestimmungen infolge der Bankenkrise,<br />
welche die Zahl der Aufsichtsräte verringerten, hatte Gutmann, wie anhand einer<br />
Auflistung sichtbar wird, bis zum März 1933 „nur einen relativen Teil“ seiner<br />
Aufsichtsratsmandate verloren. Ziegler und Münzel führen dies noch nicht auf die<br />
„nationalsozialistische Judenpolitik“ zurück, sondern sehen dies als Folge der<br />
Bankenkrise. Ein Jahr später, daher im Frühjahr 1934, hatte Gutmann bereits die Hälfte<br />
seiner Aufsichtsratsmandate verloren. 63<br />
Wenngleich der 1936 nach England geflüchtete Herbert Gutmann bis zur Jahreswende<br />
1937/38, bevor die Dritte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. Juni 1938 den<br />
Ausschluss aller jüdischen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder innerhalb <strong>des</strong><br />
Deutschen Reiches erzwang, zumin<strong>des</strong>t formal noch in vier in- und ausländischen<br />
Aktiengesellschaften vertreten war, führen Dieter Ziegler und Martin Münzel den Verlust<br />
der Aufsichtsratsmandate Herbert Gutmanns bis zum Frühjahr 1934 auf den<br />
wirtschaftlichen und politischen Druck, den die Nationalsozialisten auf die Unternehmen<br />
ausgeübt hatten, jüdische Aufsichtsräte zu entlassen, zurück: „Das soziale Kapital<br />
jüdischer Unternehmer wurde durch die gesellschaftliche Ächtung der Juden fast<br />
62 Dieter Ziegler / Martin Münzel, Globetrotter der deutschen Hochfinanz. Gutmann als Direktor der Dresdner Bank,<br />
S. 44.<br />
63 Ebda., S. 55.<br />
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