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jetzt selbst von einem solchen betroffen. Damit hatte niemand gerechnet;<br />
denn der rasche Aufstieg des Reiches zum prosperierenden Industriestaat vor<br />
dem Ersten Weltkrieg hatte ein solch pralles Kraftgefühl erzeugt, dass nur ein<br />
deutscher Sieg einkalkuliert war, der Ratzels Gesetz vom „räumlichen<br />
Wachstum der Staaten und Völker“ ( 3 1909: 159) bestätigen würde. Nun aber<br />
schien eine gesicherte deutsche Weltmachtposition wieder in weite Ferne gerückt<br />
zu sein.<br />
Als besonders demütigend empfand man den berühmten § 231 des Versailler<br />
Vertrages, der Deutschland die Alleinschuld am Krieg gab. Das war, geographisch<br />
gesehen, absurd. Denn hatten Raumzwänge mit „biologischer Folgerichtigkeit“<br />
(Lampe, 1915: 31) naturimmanent zum Kriegsausbruch geführt,<br />
so war die Kriegsschuldfrage irrelevant, da keinem verantwortlich Handelnden<br />
eine Schuld zugerechnet werden konnte. Alle hatten nur ausgeführt, was<br />
naturgesetzlich notwendig war. Es sei, meinte Georg Wegener (1920: 114 u.<br />
15), bei benachbarten Völkern wie mit „benachbarten Bäumen im Walde“, in<br />
der Welt des Daseinskampfes seien sie „natürliche Gegner“ und folgten<br />
„ewigen“ Ursachen. Diese Entpersönlichung und Enthistorisierung der<br />
Kriegsursachen, die eine Aufarbeitung der Schuldfrage verstellten, war unter<br />
den Geographen weit verbreitet.<br />
Trost für die Niederlage fand man ferner darin, dass man aus Tätern Opfer<br />
vermeintlicher Defizite der deutschen Landesnatur (s. u.) machte, und eine<br />
mangelhafte geographische Bildung des deutschen Volkes beklagte, die zu<br />
einer Fehleinschätzung der eigenen und der fremden Kräfte geführt habe. Die<br />
Soldaten hätten nicht einmal die Karten richtig lesen und das Gelände korrekt<br />
erfassen können. Hätte es mehr Geographieunterricht in der Vorkriegszeit<br />
gegeben, wäre dies nicht passiert.<br />
So sah Deutschlands Zukunft wenig rosig aus. Aufgewühlt malte Heinrich<br />
Fischer (1921: 171), der dem Hauptvorstand des Verbandes Deutscher Schulgeographen<br />
angehörte, als Menetekel an die Wand, dass das Deutsche Reich<br />
womöglich auf Dauer „im Schlepptau eines minderen Fremdvolkes (…)<br />
seiner Zersetzung entgegengleiten“ werde. Die Forderung der Geographen<br />
nach einer deutlichen Aufstockung der erdkundlichen Unterrichtsstunden<br />
wurde jedoch nur teilweise erfüllt, obwohl den Unterrichtsverwaltungen<br />
nachdrücklich versichert worden war, dass sich die Geographie am besten<br />
dazu11 eigne, die geistigen Grundlagen für den Wiederaufstieg Deutschlands<br />
zu einer führenden Macht unter den Völkern zu legen.<br />
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