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kräfte wurden beschworen und als Kraftlinien durch das Kartenbild geschickt,<br />
um Interessenkongruenzen und -gegensätze zu markieren. So entstand<br />
„ein Gewoge aus Linien und Pfeilen, manchmal ein wenig primitiv,<br />
manchmal allzu selbstverständlich und darum ein wenig komisch, aber im<br />
ganzen doch bedeutsam als Ausdruck politischer Vitalität“ (Grabowsky<br />
1933: 42). Ringe und Halbringe, meist mit Pfeilen und anderen Zeichen<br />
kombiniert, dienten wiederum dazu, Einkreisungen zu suggerieren sowie<br />
Fronten und Gegenfronten aufzubauen, die ausstrahlten oder abwehrten. Mit<br />
solchen Konstruktionen glaubte man, dem geographischen Raum einen tieferen<br />
Sinn entlockt zu haben, aus dem sich eine politische Aufgabe erschließen<br />
ließ. Die dem Auge sichtbaren Zeichen der geopolitischen Karte dienten somit<br />
einer höheren Anschauung als die gewöhnlichen Atlaskarten; sie sollten<br />
dem Denken die innere Wahrheit der Dinge aufschließen, die sich aus den<br />
Karten und den mit ihnen eng „verwachsenen“ Texten ergab. Grabowsky<br />
verglich sie daher mit der Zeichnung, die eine „Darstellung innerer Vorgänge“<br />
sei, so wie die Malerei die „äußeren“ wiedergebe. Das machte die<br />
geopolitische Karte für ihn zum Mittel der Wahl, um „das eigene Volk zu<br />
Raumgefühl und zum Erlebnis der Grenzen“ (42) zu erziehen.<br />
Meist waren die Kartenskizzen schwarz-weiß, damit, wie Grabowsky begründete,<br />
„keine Farbe sich verwirrend in den reinen Ausdruck der dynamischen<br />
Verhältnisse“ (1933: 42) hineindränge. Dennoch wurden auch Grün<br />
und Rot ausprobiert, doch zugleich vor einem Farbenrausch gewarnt (Schumacher<br />
1934: 649). Rote Pfeile galten als besonders wirkungsvoll. So konnte<br />
der Kartenleser Territorialpolitik anschaulich miterleben und mochte sich<br />
durch das Kartenbild animiert fühlen, selbst zu einer raumüberwindenden<br />
Pfeilkraft zu werden, die einen erwünschten Trend vollendete bzw. einen<br />
unerwünschten stoppte oder gar umkehren half.<br />
Ein Spezialist für geopolitische Propagandakarten, statisch wie dynamisch,<br />
war der Gauamtsleiter für Erziehung und Unterricht im Reichsgau Salzburg,<br />
Karl Springenschmid. Als Idealgestalt des Staates propagierte er den von<br />
einer Zentrallandschaft straff zusammengefassten Kompaktraum mit viel<br />
Fläche und wenig Grenze, der „keine schlecht durchbluteten, leicht abzuschnürenden<br />
Randgebiete“ (Springenschmid 1936: 2) zulasse. Frankreich,<br />
Rumänien, die Schweiz, Portugal-Spanien oder die Türkei erfüllten diese<br />
Regel, die „Zwangsgrenzen“ des Deutschen Reiches würden dagegen nur<br />
„ein verkleinertes Zerrbild des deutschen Volksraumes“ (3) darstellen. Auf<br />
fünfzehn Staaten verteilt, habe „kein Volk der Erde (...) ein schwereres<br />
Schicksal zu tragen, keines noch gewaltigere Aufgaben zu lösen als das deut-<br />
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