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Gebilde ist eine Mischung aus Bildern und kartographischen Elementen. Solche<br />
Szenarios entwerfen Kinder auch in späteren Jahren gern – wenn man sie<br />
denn lässt, anstatt in ihrem Tun lediglich Akte von Beschmutzung und Sachbeschädigung<br />
zu sehen. Der nächste Regen würde eh alles wegwischen (vgl.<br />
Daum 1990).<br />
Intensivere, bisweilen provozierende Markierungen des Raumes zeigen sich<br />
vielerorts in Form von Graffiti. Die Frage lautet: Kunst oder Vandalismus?<br />
Wie man es auch wendet: Graffiti sind mit Signalen und Bedeutungen aufgeladen,<br />
die sich für Outsider nur schwer oder gar nicht erschließen lassen.<br />
Jedenfalls verweisen sie – auch wenn sie gegen Normen und Regeln verstoßen<br />
– auf eine ernstzunehmende Auseinandersetzung von Kindern und Jugendlichen<br />
mit der Welt. Diese Form der Aneignungspraxis beschreibt Jekel<br />
(2008) als Mapping im öffentlichen Raum. Mapping meint in sehr weitläufigem<br />
Sinne kartographische Aufzeichnungspraxen, die subjektiv-individuell<br />
geprägt sind, sich nicht an Konventionen halten und dadurch Originalität<br />
beanspruchen (vgl. Perkins 2003, Corner 1999). In der Kunstszene bezeichnet<br />
Mapping einen künstlerischen Prozess, in dem fast alles – von der Straßenkarte<br />
bis zu menschlichen Wahrnehmungen und körperlichen Transformationen<br />
– kartographisch übersetzt wird. (vgl. Busse 2007, Stenzel 2010).<br />
So verwandelt sich die Wiener Künstlerin Eva Wohlgemuth durch „Body<br />
Mapping“ in ein digitales Objekt, Marcel Broodthaers entwirft die Vision<br />
einer Neugestaltung der Welt in einem Atlas von Streichholzschachtelformat<br />
(„zum Gebrauch für Künstler und Militär“), und der Japaner Yukinori Yanagi<br />
errichtet aus Länderbannern eine Flaggenlandschaft, der eine Ameisenpopulation<br />
durch ihre zerstörerische Lebensweise so zusetzt, dass sich die nationalen<br />
Identitäten auflösen (siehe Bianchi, Folie 1997).<br />
Raumaneignung im Zusammenhang mit Karten heißt auch, von Kindesbeinen<br />
an fiktive Weltreisen zu unternehmen und die Welt „mit dem Finger auf<br />
der Landkarte“ zu erobern. Mit Hilfe von Karten wurden und werden nicht<br />
von ungefähr kriegerische Feldzüge geplant und gewaltige Armeen im Gelände<br />
bewegt. Für manche Befehlshaber des 20. Jahrhunderts fanden Kriege<br />
überhaupt nur im virtuellen Raum der Karten statt, von der schmutzigen<br />
Realität des Krieges blieben sie unberührt (vgl. Schneider 2005). Bilder von<br />
siegreichen Feldherren gingen um die Welt, die sich über Karten beugen, mit<br />
Eingriffen in die Karte die Beute verteilen und z. B. eine Oder-Neiße-Linie<br />
festlegen.<br />
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