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Die konventionelle Seekarte, an der sich die Mannschaft orientieren könnte,<br />
ist über Bord geworfen. Diese leere Karte müssen die Matrosen neu füllen<br />
und also die Weltmeere neu entdecken. Damit beginnt die Suche. Versteht<br />
man die Karte gewöhnlich als Orientierungshilfe für die Durchquerung oder<br />
Erfahrung der Welt, wird die Kartographie „zur künstlichen Metapher auch<br />
für Orientierung in einer immer orientierungsloser apostrophierten Welt“<br />
(Beil nach Sabisch 1997: 19). Eine leere Karte eröffnet einen Möglichkeitsraum,<br />
da die Welt selbstständig erfahren und kartiert werden muss. Während<br />
die Kartographie gemeinhin mit einer geographischen Wissenschaftspraxis in<br />
Verbindung gebracht wird, liegen die Orientierungskategorien und Ordnungsmuster<br />
in dieser Form der Kartierung nicht im Außen. Sie liegen vielmehr<br />
in der Erfahrung selbst. Damit werden Welt und Kartierung neu zueinander<br />
ins Verhältnis gesetzt. Es geht darum, die Welt selbst als Medium zu<br />
verstehen, das eine Wirkung hat. Diese Wirkung ist der Erfahrung zugänglich<br />
und in der kartierenden Erkenntnispraxis darstellbar. Diese Art der Kartierung<br />
führt zu einer kartierenden Erkenntnispraxis, die sich nach einer eigenen<br />
Logik richtet, da sie im Kontext der Erfahrung und nicht im Kontext einer<br />
wie auch immer gearteten Wissenschaft stattfindet (vgl. Sabisch 1997: 19).<br />
Erfahrung lässt sich mit Derrida als Durchquerung eines vorher noch nicht<br />
gegebenen Raumes verstehen, der sich in der Bewegung erst öffnet. „Ich<br />
weiß nicht. Ich mag das Wort Erfahrung recht gerne, dessen Ursprung etwas<br />
über die Durchquerung sagt; jedoch über eine Durchquerung mit dem Körper,<br />
eines Raumes, der nicht von vornherein gegeben ist, sondern sich in dem<br />
Maße öffnet, wie man voranschreitet. Ich würde vielleicht das Wort Erfahrung<br />
auswählen, in einer etwas wiederbelebten und aufgefrischten Form,<br />
sagen wir“ (Derrida 1998: 220).<br />
In der Kartierung, die als Navigationsinstrument im unbekannten Raum dienen<br />
kann, dokumentiert sich das individuelle Voranschreiten, die individuelle<br />
Wegbahnung mitsamt der Raumöffnung (vgl. Sabisch 2007: 18). Die Karte<br />
vermittelt Orientierung in dieser Raumdurchquerung. Über die Aufzeichnungspraxis,<br />
das Anfertigen, Verändern, Verwerfen und Neuzeichnen von<br />
Karten formt sich erst der Weg. Die Kartierung hat hier jeglichen Anspruch<br />
einer universellen Gültigkeit verloren, vielmehr ist jede Karte einzigartig,<br />
singulär und im Moment verhaftet.<br />
Anders als noch John Dewey, der von der Einheit der Erfahrung ausging, legt<br />
Bernhard Waldenfels, der eine zeitgenössische phänomenologische Position<br />
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