26.12.2013 Aufrufe

Download (3152Kb) - Universität Oldenburg

Download (3152Kb) - Universität Oldenburg

Download (3152Kb) - Universität Oldenburg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

gepfercht, nach und nach zum allergrößten Teil in die Fabriksäle ziehen“ müsse.<br />

Wollten die Deutschen „nicht zu Sklaven der ehernen Maschinen werden“, so<br />

bräuchten sie „Boden, Raum, jungfräuliches Land“. Wo sollten sie es suchen,<br />

„wenn nicht im Osten?“. Dort, „wo die Sonne ihres Tages Lauf beginnt“ (Braun<br />

1927: 532). Gerade auch vom Volksschüler erwartete dieser gymnasiale Blutund-Boden-Erotiker,<br />

dass er sich z. B. bei Betrachtung der baltischen Karte die<br />

Tage der mittelalterlichen Ostkolonisation zurückwünschte: „‘Sie sollen und<br />

müssen wiederkehren; dafür will auch ich sorgen, soviel an mir liegt.’“ Dann<br />

werde das deutsche Volk den Boden gewinnen, der ihm wieder „Ellenbogenfreiheit“<br />

(530) gewähre.<br />

Auf diese Weise sorgte der Geographieunterricht mit dafür, dass der Osten,<br />

die alte „Hauptrichtung der geschichtlichen Entwicklung des Reiches“<br />

(Geistbeck-Geistbeck 22 1932: 16), der Identifikations- und Entscheidungsraum<br />

für Deutschlands Zukunft blieb. Mit dem Kartenbild vom „deutschen<br />

Volks- und Kulturboden“ vor Augen, lernte der Schüler schon in der Weimarer<br />

Republik, dass über die deutschen Grenzen und den deutschen Einflussbereich<br />

im Osten das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Indem die Karte<br />

ihm von der höheren Leistungsfähigkeit der deutschen Siedler gegenüber den<br />

slawischen Völkern erzählte, die nach Zahl und kulturellen Fähigkeiten über<br />

einen viel zu großen Raum verfügen würden, suggerierte sie ihm, dass ein<br />

leistungsstarkes Volk, wie das deutsche, dem es an Raum fehle, einen natürlichen<br />

Rechtsanspruch auf die Kolonisierung des europäischen Ostens habe.<br />

Die heutige Generation sei dazu berufen, bei günstiger Gelegenheit die<br />

Arbeit der Väter und Vorväter wieder aufzunehmen und zu vollenden.<br />

Woher aber nahm man die Sicherheit, dass der Zugriff diesmal gelingen werde?<br />

Hier kam der physische Raum wieder ins Spiel. Die ewigen Leitlinien des Reliefs<br />

würden die Siedler immer wieder instinktiv nach Osten locken, weil sie vom<br />

Menschen nicht außer Kraft gesetzt werden könnten. Und so strömten ab 1938<br />

in Kartenbeigaben (Hinrichs 1939: 8ff.) und Texten von Erdkundeschulbüchern<br />

des „Dritten Reiches“ die germanisch-deutschen Bauern und Bürger<br />

erneut in den Ostraum, der diesmal „dicht und kraftvoll besiedelt“ (Völkel<br />

1940: 8) werde, um endgültig deutsch zu bleiben (Abb. 6).<br />

Planmäßig werde damit ein Jahrhundertwerk abgeschlossen, wobei man die<br />

vom NS-Regime befohlene „Umsiedlung“ von Deutschen in die annektierten<br />

Gebiete damit begründete, dass der Fluch, „jahrhundertelang (...) ‘Kulturdünger’<br />

für andere Völker“ (Völkel 1940: 8) gewesen zu sein, damit vom<br />

deutschen Volk genommen werde.<br />

159

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!