Um deutlich zu machen, welch ein Begabungsunterschied vorliegt, sei die Karte „Lufthausen“ (Abb. 8) wiedergegeben, die ebenfalls von einem Mädchen des sechsten Schuljahres stammt. Hier ist der Übergang zur rein symbolhaften Darstellung vollzogen; denn die Schiffchen als Bezeichnung der Schiffahrtslinien und die Flugzeuge zur Markierung der Flugverbindungen sind nur noch Zeichen, nicht mehr Bild. Dieser Entwicklungsstand wird auch in den Aussagen der Karte deutlich, die bei aller Kindlichkeit (Pfützenbach, Froschtunnel, Storchennest usw.) schon eine klare Einsicht in gesetzmäßige Zusammenhänge zeigen. Hier werden auch Nachbarländer und ferne Inseln dargestellt, die dem Verkehrsnetz angeschlossen sind. Abb. 8 53
Man sollte meinen, daß ein solcher Anschluß an Nachbarreiche und ein reger Verkehr mit ihnen erwünscht sein müßte. Sicher ist, daß die Einbeziehung solcher Perspektiven den Karteninhalt bereichern würde. Nach dem uns vorliegenden Material verhalten sich hier Jungen und Mädchen verschieden. Die stärkste Isolierung ist gegeben, wenn das ganze Reich aus einer Insel besteht, auf der keine anderen Reiche mehr zu finden sind. Solche Inselreiche bevorzugen bei den Jungen des sechsten Schuljahres 66,7 Prozent, also zwei Drittel, bei denen des siebenten 52,5 Prozent, bei denen des achten Schuljahres 50 Prozent. Während hier also die Entwicklung dahingeht, daß die Planung einen größeren Raum als nur den eigenen überschaut, ist es bei den Mädchen umgekehrt. Hier lauten die entsprechenden Zahlen 76,9 Prozent (sechstes Schuljahr), 81,4 Prozent (siebentes Schuljahr), 88,3 Prozent (achtes Schuljahr)! Diese auffallende Bevorzugung der Insellage bei den Mädchen, die nach dem achten Schuljahr hin so stark zunimmt, ist zweifellos entwicklungspsychologisch begründet. Die Mädchen, die sich in der ersten Phase der Reifezeit befinden und die Tendenz zeigen, sich in einer Periode der allgemeinen Desorientierung gegenüber den Wertsetzungen von Schule und Elternhaus kontaktscheu auf sich selbst zurückzuziehen, um auf der Grundlage kritischer Selbsterkenntnis zur Selbstgestaltung (Kroh) zu kommen, stellen mit ihrem Inselreich häufig eine Flucht in die ungestörte Robinsonade dar, in ein Land, wo man sein kann, wie man sein möchte: fröhlich, unbekümmert, ungestört und sicher, auch noch einmal märchenselig, ohne ausgelacht zu werden; das zeigen schon die Namen, die man diesen Reichen gibt: Schlaraffenland, Traumland, Glücksland, Wunschland, Adelland, Sonnenland, Honigreich, Paradies, Blumenland, Rosenland, Freudenreich, Rauschland, Sorgenfrei, Schönland, Friedensburg. Bei den Jungen geht die Phantasie in andere Richtung, sie wenden sich stärker einer konkret möglichen Gestaltung zu, selbst ein „Normalland“ ist hier zu finden, ein Einfall, den schon Grillparzer gehabt hat. 5 Überhaupt können die Namen manche Aufschlüsse geben; sie machen nicht nur die Sprachkraft des Kindes im allgemeinen erkennbar, sondern auch die kindliche Auffassung von der Entstehung solcher Namen. So kann man bei den kindlichen Phantasielandkarten Namen geschichtlichen und geographischen Ursprungs finden wie bei den wirklichen Ländern auch. Zu den geschichtlichen Namen zählen wir Goetheruh, Wotanstadt, Klaus-Störtebecker-Insel, Barbarossafluß, Widukindland, Neu-Kiel, 5 Grillparzer schreibt in seinen „abgerissenen Ideen zu einer Tragikomödie Prokrustes“: „Prokrustes, König des Normallandes (er nennt sich selbst den Normalkönig)…“ (Sämtliche Werke, hrsg. von Moritz Necker, XI, 131.) 54
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