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messung der Welt“ lässt Kehlmann (2005: 268) seinen Gauß im Widerspruch<br />
zu Humboldt denken: „Manchmal war ihm, als hätte er den Landstrich nicht<br />
bloß vermessen, sondern erfunden, als wäre er durch ihn Wirklichkeit geworden.<br />
[...] Nichts, was einmal jemand vermessen hatte, war noch oder konnte<br />
je sein wie zuvor.“<br />
Wenn immer Menschen in ihren Karten die Welt nicht lediglich abgebildet,<br />
sondern sie nach eigenem Bild geordnet bzw. neu geschaffen haben, ist auffällig<br />
oft von der „Macht der Karten“ die Rede (siehe z. B. Jekel 2008,<br />
Tzschaschel u. a. 2007, Schneider 2006, Wood 1993) oder davon, dass Karten<br />
die Welt verändert haben, so der seinerzeit revolutionäre und bis heute in<br />
seiner Art oft kopierte Plan der Londoner U-Bahn (vgl. Harwood 2007: 170).<br />
Methodisches Fazit: Weil Karten generell Konstruktionen und keine „objektiven“<br />
Gegebenheiten sind, erfordern sie eine „diskursive“ (Mose & Strüver,<br />
2009) bzw. „reflexive“ Kartenkompetenz. Dies meint „jene Fähigkeit und<br />
Fertigkeit [...], Karten als Konstruktion zu verstehen, ihre Konstruktionsbedingungen<br />
durch Perspektivenwechsel aufzudecken und auf dieser Basis<br />
Entscheidungen über die Verwertbarkeit oder notwendigen Ergänzungen<br />
ihrer Inhalte zu treffen“ (Gryl 2010: 25).<br />
Daher muss man sich grundsätzlich die Konstruiertheit und Perspektivität der<br />
jeweils herangezogenen Karten bewusst machen. Es gilt, die oft auf den ersten<br />
Blick nicht erkennbaren Bedeutungen, Absichten und Subtexte von Karten<br />
mit Fragen wie den folgenden aufzuspüren:<br />
− Wer ist der Kartograph bzw. der Auftraggeber und welche Intentionen<br />
verfolgt er?<br />
− Welche Darstellungsformen wendet er an?<br />
− Welche Kenntnisse hat der Kartograph, was lässt er unbewusst bzw. gezielt<br />
aus?<br />
− Welches sind die Adressaten, welche Interessen haben sie und inwieweit<br />
sollen sie sie durch die Karte beeinflusst werden?<br />
In der „Welterzeugung“ durch Karten kommen, methodisch betrachtet, Techniken<br />
des Zeigens bis zu solchen des Verbergens vor: „Das in Karten Wahrnehmbare<br />
muss auf die Bedingungen seines Entwurfs, seiner Produktion und<br />
seiner Wirkung hin befragt und analysiert werden“ (Siegel 2011).<br />
Für Lehrer und Schüler wäre es angesichts einer umwälzenden, sich beschleunigt<br />
fortsetzenden Veränderung der Welt empfehlenswert, auch den<br />
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