Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
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fer. Große Mengen an Informationen und Technik wurden<br />
unwiederbringlich zerstört und da<strong>mit</strong> aus dem Bewusstsein<br />
der Menschheit getilgt – die über Jahrhunderte angesammelten<br />
Errungenschaften des Urvolks ein Opfer der Flammen.<br />
Die Chronisten flohen und verbargen sich vor ihren Häschern,<br />
sammelten sich schließlich im zentralen Cluster.<br />
R E S E T<br />
Die Niederlage im Dom führte den Chronisten ihre Schwäche<br />
vor Augen. In einer Zeit, in der die Klinge eines Wiedertäufers<br />
schärfer war als das geschriebene Wort, hing ihr Leben von der<br />
Gnade der Starken ab. Als Bittsteller hätten sie sich vor den<br />
lokalen Kriegsherren demütigen und dem pöbelhaften Mob<br />
unterordnen müssen. Ihre ehrgeizigen Ziele wären niemals zu<br />
erreichen gewesen. Es gab nur einen Ausweg.<br />
Von diesem Zeitpunkt an bekam kein Fremder mehr das<br />
Gesicht eines Chronisten zu sehen, ihre Roben wurden an den<br />
Schultern um spiegelnde Glassplitter ergänzt, die Stimme über<br />
einen modulierbaren Verstärker verzerrt. Die Kultisten wandelten<br />
sich äußerlich zu entmenschten, grotesken Gestalten.<br />
Macht durch Einschüchterung – das wurde ihr Grundsatz.<br />
Wenn sie eines aus dem Stream gelernt hatten, dann dass<br />
Informationen Macht bedeuten. Und sie machten sich unentbehrlich.<br />
Ein Wechselsystem löste den Tauschhandel ab, sie<br />
gaben so genannte Chronistenwechsel gegen Artefakte heraus.<br />
Der hinterlegte Gegenwert der Wechsel war reine, kondensierte<br />
Information in den Denkmaschinen des Kults. Die knittrigen<br />
Zettel <strong>mit</strong> ihren Strichcodes und Zahlenreihen ließen sich<br />
ohne weiteres im nächsten Cluster oder einer Wechselstube<br />
gegen Wegbeschreibungen zu wahrscheinlich erhaltenen,<br />
voreshatologischen Lagern, Spionagedaten, kompro<strong>mit</strong>tierende<br />
Informationen über Gegner oder auch wissenschaftliche<br />
Aufsätze über Flora und Fauna eintauschen. Alles was den<br />
Chronisten zugetragen wurde, saugten die immer hungrigen<br />
Speicher auf und gaben es destilliert an andere aus.<br />
Städte konnten sich nicht länger dem Einfluss des Kults<br />
entziehen. Einem Chronisten einen Platz im Rat zu versagen,<br />
hätte unweigerlich den Auszug aller Kultisten zur Folge. Ganz<br />
zu schweigen von plötzlichen Informations-Sonderangeboten<br />
über die Machenschaften unwilliger Anführer. Die Chronisten<br />
waren ein Wirtschaftsfaktor geworden; unverzichtbar, weil sie<br />
das Netz sponnen, in dem sich Schrotter und Händler fingen.<br />
Die Chronisten benötigten bald keine Söldner zur Sicherung<br />
ihrer Interessen mehr, da ihr Wohlergehen in einer Stadt für<br />
die herrschenden Schicht den gleichen Stellenwert einnahm<br />
wie die eigene Sicherheit.<br />
G E N E R AT I O N + +<br />
Früher war es für die Chronisten schwierig, die unteren Ränge<br />
<strong>mit</strong> vielversprechenden Neuzugängen zu füllen, zu verquer<br />
und realitätsfremd schienen die Technikjünger. Jetzt erlaubt<br />
ihnen ein Handel <strong>mit</strong> den Spitaliern, sich wieder wichtigeren<br />
Dingen zuzuwenden: Der Kult nimmt die als sonderlich angesehenen<br />
Kinder in seine Obhut, die von den Ärzten als autistisch<br />
eingestuft wurden oder aufgrund körperlicher Mängel<br />
durch das Raster der meisten Dorfgemeinschaften fallen. Dort<br />
draußen sind Kraft und Ausdauer gefragt, Kinder <strong>mit</strong> einer<br />
ausgeprägten Fantasie oder Interesse an urvölkischen Schrif-<br />
ten kosten mehr als sie einbringen und werden nur zu gerne<br />
den Chronisten ausgehändigt. Nach einer oberflächlichen<br />
Vorauswahl unterzieht man sie in Gruppen zahlreichen Logik-<br />
Tests, bevor sie einem hochrangigen Chronisten zugewiesen<br />
werden, der ihnen ein Mentor sein wird.<br />
Nachdem man dem Rekrut seinen individuellen Strichcode<br />
auf die Stirn tätowiert hat, bezieht er eine kleine Kammer, in<br />
der er bis zu seiner ersten Beförderung, dem sogenannten Update,<br />
leben, schlafen, lernen und arbeiten kann. Nach jedem<br />
Update ändert sich der Aufgabenbereich, Umzüge innerhalb<br />
des Clusters sind keine Seltenheit. Über die Jahre verdichtet<br />
sich das Profil des jungen Chronisten, die ihm zugeordneten<br />
Arbeiten sind immer besser an seine Kenntnisse und Fähigkeiten<br />
angepasst.<br />
A B S E I T S D E S S T R E A M S<br />
Selbst in den Dörfern abseits der großen Siedlungen sind<br />
Chronisten für ihre außergewöhnlichen Dienste bekannt.<br />
Auch dass ihre übermanngroßen, <strong>mit</strong> Kalk an die Wände gezeichneten<br />
Strichcodes als Zeichen ihrer Anwesenheit zu verstehen<br />
sind, hat seinen Weg in das Allgemeinwissen gefunden.<br />
Ihre Kenntnisse der Technik gelten als legendär, wie auch ihre<br />
Fähigkeiten als Ratgeber, Botschafter und Informanten.<br />
Obwohl sie sich tagtäglich unter die Menschen mischen um<br />
Artefakte zu erwerben, wird man sie schwerlich als volksnah<br />
bezeichnen. Ihre Erscheinung ist Ehrfurcht gebietend, die<br />
bewusste Einschüchterung durch Verzerrung der Stimme und<br />
ihr bizarres Auftreten erheben sie über das normale Volk. Von<br />
Geheimnissen umwehte Überwesen, das wollen sie verkörpern<br />
– als solche werden sie auch gesehen. Wen verwundert es, dass<br />
mancher Chronist zu sehr in seiner Rolle aufgeht?<br />
Viele mutmaßen, dass die Chronisten inzwischen in Borca<br />
die Fäden im Hintergrund ziehen. Sie sind die grauen Eminenzen,<br />
die <strong>mit</strong> einem gezielten Ausstoß an Informationen<br />
mächtigen Stadtstaaten wie Justitian den Frieden bewahren<br />
oder den Krieg bringen können.<br />
C L U S T E R - L E B E N<br />
Im Cluster werden aus den Halbgöttern wieder Menschen.<br />
Man ist unter sich, teilt die gleiche, technoid verdrehte Sprache<br />
und den Traum, dem Stream ein neues Flussbett zu graben, auf<br />
dass er in die Welt hinaus strömen kann, um sie zu befruchten.<br />
Die Luft im Cluster scheint zu vibrieren vor Erregung; man<br />
spürt, Teil eines großen und erhabenen Vorhabens zu sein.<br />
Der Strichcode auf der Stirn verbindet den Chronisten<br />
<strong>mit</strong> den Datenbeständen der Rechnersysteme, in denen der<br />
Wert des Einzelnen für den Kult festgehalten und ständig<br />
aktualisiert wird. Die Tätowierung dient als Zugangscode<br />
für abgesperrte Bereiche und zur Verfolgung des Weges des<br />
Chronisten. Der Kult glaubt nicht an Zufälle, selbst das Leben<br />
gilt als deterministisch und in eine Formel zu kleiden: Die Bewegungsmuster<br />
und Handlungsabläufe werden registriert und<br />
in den Zentralrechner eingespeist, der sie in eine fraktale Globalformel<br />
einfügt. Man sagt, aus ihr könne man das Schicksal<br />
eines Chronisten, ja sogar eines jeden Menschen ablesen, wenn<br />
nur eines Tages die Datenbasis groß genug sei.<br />
Die Sprache der Chronisten untereinander ist sehr informationslastig,<br />
frei von Floskeln und <strong>mit</strong> uralten Computer-Befeh-<br />
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