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Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis

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Mit einer fahrigen Bewegung fuhr sie sich über die Augen,<br />

verwischte Staub und Tränen zu einem kriegerischen Dreckstreifen.<br />

„Du wirst mich verlieren“ sagte sie.<br />

„<strong>Das</strong> werde ich nicht.“ Nik betrachtete sie nüchtern, wie<br />

eine Fußnote seines Lebens. Sie war schon jetzt ein Teil seiner<br />

Vergangenheit.<br />

„Mein Entschluss steht.“ Liebe und körperliche Nähe<br />

weckten die Leidenschaft in ihm nicht mehr. All das langweilte<br />

ihn. Er brauchte mehr: Blut an seinen Händen, die Schreie<br />

der Sterbenden, ihre Leiber aufgespießt auf seiner Lanze.<br />

Macht. Ruhm. Eine lodernde Fackel der Leidenschaft, die vom<br />

stärksten Wind angefacht, aber nicht ausgeblasen wird. Es war<br />

die Lust nach Intensität, die er nur dort draußen befriedigen<br />

würde. So hatten es ihn die Orgiasten der Wiedertäufer am<br />

vorigen Abend gelehrt.<br />

„Nik, das sind falsche Schlangen.“ Ihre Stimme zitterte.<br />

„Sie sind verblendet. Ihre Gottheit ist ein Monstrum. Sie<br />

schickt sie von Krieg zu Krieg. Überall sehen sie das Böse!“<br />

Nik stand auf, begegnete Nebes zornigem Gesicht. Sie war<br />

schön, selbst in einem solchen Moment. Ihre Lippen – obwohl<br />

zusammengepresst – waren noch immer voll, ihre schmutzigen<br />

Wangen und ihre verkniffenen Augen hatten etwas schelmisches.<br />

„Ich werde zurückkehren.“ Es war ein schwacher Versuch;<br />

obwohl es das war, was sie hören wollte, reichte es längst<br />

nicht.<br />

„Du wirst verrecken!“ schrie sie ihn an. „Sie schicken dich in<br />

den Osten! Gegen die Voivoden wollen sie ziehen, hat die alte<br />

Semka mir erzählt. Du kennst die Geschichten: Gehäutete Kadaver,<br />

aufgespießt auf Pfählen! Ich wollte nicht glauben, dass<br />

irgend jemand von uns sich diesem Irrsinn anschließt. Was<br />

willst du denn da? Wir haben hier alles!“ Nik hielt sie an den<br />

Unterarmen, schob sie von sich. Sein linker Nasenflügel zuckte.<br />

Wut stieg in ihm auf. Wenn die Orgiasten ihn so sähen... Sie<br />

mussten schon warten, dort unten auf dem Platz. Er konnte<br />

ihre Standarten im Wind flattern sehen, sie ragten hoch über<br />

die dunkle Menschenmasse. Kriegsstandarten.<br />

„Dort gibt es nur Krieg, Krieg, Krieg! <strong>Das</strong> ganze Land ist<br />

ein verdammtes Schlachtfeld!“<br />

„Genau deshalb will ich hin.“<br />

Mit einem Male verebbte ihre Kraft. Ihre Augen waren<br />

verquollen, das jugendliche Gesicht wirkte plötzlich uralt. Sie<br />

blickte an ihm vorbei in die Ferne. Er suchte ihren Blick, doch<br />

sie nahm ihn nicht wahr. Zwei Menschen, zwei Welten. Drei,<br />

vier Schritte ging er rückwärts von ihr weg, prägte sich jedes<br />

Detail ein: <strong>Das</strong> Kleid aus hellem Leinen, das nur an besonderen<br />

Tagen oder zur Mann-und-Frau-Weihe getragen wurde,<br />

er bemerkte die bunten Bänder an ihrem Armgelenk – ein<br />

Beweis seiner Treue und Liebe, wie es Brauch ist. Sie trug den<br />

Schmuck ihrer Mutter, halb verborgen glitzerten die geschliffenen<br />

Steine über den Saum ihres Ausschnitts. Dort stand nicht<br />

das Bauernmädchen, das tagtäglich <strong>mit</strong> dem Spaten den Boden<br />

beackerte oder das Wasser von der Felsquelle herauf schleppte.<br />

Dies sollte ein besonderer Tag für sie werden.<br />

Er drehte sich um und ging. Der Weg hinunter ins Tal<br />

war steil und steinig, jede Unebenheit spürte er durch die<br />

Ledersohlen. Die Standarten warteten auf ihn. Die Orgiasten<br />

würden ihm wissend zunicken, ihm kameradschaftlich auf die<br />

Schulter klopfen. Sie würden verstehen.<br />

Nik verharrte. Ein Blick zurück, die Anhöhe hinauf, wo<br />

Nebe auf ihn wartete. Doch sie war fort. Weggelaufen in die<br />

Ruinen, wo vor zwei Wintern alles begonnen hatte.<br />

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