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Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis

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F r u h l i n g<br />

Es war Bewegung in dem kleinen Wäldchen. <strong>Das</strong> Brechen<br />

von Ästen und das Rauschen der Blätter weckte die alte, abgelegte<br />

Vorsicht des Kriegers in dem Mann hinter dem Pflug.<br />

Er wischte die grauen Haarsträhnen aus dem Gesicht und<br />

stapfte durch die aufgebrochenen Erdschollen an die Seite<br />

seines Zugpferds Teufel, einem alten Rappen, der an Pferdejahren<br />

dem Mann in nichts nachstand. Die Nüstern des Tieres<br />

bebten, es scharrte unruhig <strong>mit</strong> den Hufen. Der Alte lauschte<br />

und starrte angestrengt in das aufgewühlte Grün des Walds,<br />

während er geistesabwesend seinem Pferd den Hals tätschelte.<br />

Mensch und Tier standen so eine Weile, seltsam vereint, ließen<br />

sich bezaubern vom sanften Rauschen des Windes, genossen<br />

den kräftigen Duft frischer Erde.<br />

„Nik, was ist denn?“ Eine dünne Stimme in der Ferne, irgendwo<br />

hinter ihm.<br />

Erst reagierte er nicht, wollte diesen mystischen Augenblick<br />

im Herzen bewahren, so lange es ging. <strong>Das</strong>s er gerade<br />

noch wilde Balkhaner oder marodierende Apokalyptiker im<br />

Gebüsch vermutet hatte, war vergessen. Privileg und Fluch<br />

des Alters zugleich. Nik seufzte, rieb sich die schmerzenden<br />

Gelenke und drehte sich um. Dort drüben, am Ende des<br />

langgestreckten Korridors, den er und seine Söhne dem Unterholz<br />

abgetrotzt und in einen Kartoffelacker verwandelt<br />

hatten, kauerte einem riesigen, staubigen Käfer gleich sein<br />

Haus. Schrott, den sein Ältester Joshua herangeschleppt hatte<br />

und an die Karawanen unten im Tal zu verkaufen gedachte,<br />

war an den Wänden zu einem rostigen Verwuchs gestapelt;<br />

nur die Tür- und Fensteröffnungen hatte er ausgespart. Nik<br />

konnte nicht sofort ausmachen, woher die Stimme kam, doch<br />

dann winkte Arden und offenbarte ihm ihre Position auf der<br />

Terrasse. Nik schüttelte grimmig den Kopf, seine Augen ließen<br />

ihn langsam im Stich. „Strategisch ungünstig, aber gute<br />

Tarnung.“ Er konnte sich nicht von seinem alten Leben lösen.<br />

An den guten Tagen spielte er im Kopf immer wieder seine<br />

siegreichen Schlachten durch, wog die eigenen Verluste gegen<br />

die der Feinde auf; an den schlechten Tagen kamen die Zweifel.<br />

Warum hatte er damals in den Feldern vor Bukarest nicht<br />

die Zangenbewegung befohlen? Wie konnte seine Rotte nahe<br />

Laibach in diesen Hinterhalt geraten? Keine Form des Todes<br />

und der Qual schienen ihm fremd.<br />

Ergeben lächelte er Arden zu und winkte zurück. Sie war<br />

keine Schönheit wie Nebe, aber sie war eine gute und liebevolle<br />

Frau. Drei Söhne hatte sie ihm geschenkt – und den inneren<br />

Frieden, vor dem er so lange davongelaufen war. Sie wusste,<br />

dass er Nebe niemals vergessen würde, wie auch seine Schuld<br />

niemals zu tilgen war, und sie gestattete ihm diese kleine Untreue.<br />

Er schlug seinem Rappen noch einmal auf den Hals und<br />

stapfte Richtung Haus. Arden hasste es, über weite Distanzen<br />

zu reden, sie nannte ihn dann immer „altes Signalhorn“.<br />

„Ich dachte, ich hätte Joshua kommen gesehen“ sagte Nik,<br />

als er den ersten Schritt auf die Bohlen der Terrasse setzte.<br />

„Du wirst langsam alt; nicht weniger als fünf Tage, hat er<br />

gesagt, und das war vorgestern.“<br />

Er ignorierte den vorwurfsvollen Ton und blickte an ihr<br />

vorbei ins Haus.<br />

„Wann gibt’s was zu essen?“<br />

„Erst wenn Perdres vom Holzsammeln zurück ist. Aber erst<br />

werde ich den Kleinen füttern.“<br />

Nik war das egal, er hörte nur <strong>mit</strong> einem Ohr hin; damals im<br />

Feindesland hatte er oftmals tagelang nichts Ordentliches zwischen<br />

die Zähne bekommen. Aber es gab Arden das Gefühl,<br />

sich kümmern zu können, wenn er ab und zu Bedürfnisse oder<br />

Wehwehchen vortäuschte. Man muss einen Soldaten motiviert<br />

halten. Nik lachte rau.<br />

„Es dreht sich nicht immer alles um dich...“ sagte Arden <strong>mit</strong><br />

einem beleidigten Unterton in der Stimme. Nik lächelte. Und<br />

erschrak: Wieder das Krachen von Ästen! Wesentlich lauter<br />

diesmal. Nik blickte zu Teufel hinüber – das Tier tänzelte<br />

unruhig und ließ das Geschirr klirren, das spröde Holz des<br />

Pflugs ächzte.<br />

„Dreh dich ruhig weg. <strong>Das</strong> macht es nicht besser.“<br />

„Sei still!“ zischte er und hastete zu seinem Rappen. Sein<br />

Herz schlug hart in der Brust, Angst prickelte wie Eiswasser<br />

durch seine Adern. Keine Waffen. Verdammt, sie hatten keine<br />

Waffen hier! Sein altes Stahlschwert hatte er schon vor Jahren<br />

Joshua geschenkt, das restliche Arsenal aus Eisenmessern und<br />

zerbrochenen Schwertern hatte als Beschläge von Türen und<br />

im Pflug eine neue, friedfertige Verwendung gefunden.<br />

Einen Moment lang verharrte er an der Seite des Rappen.<br />

War es das Alter, das ihn <strong>mit</strong> Irrsinn strafte? Wenn ja, würde<br />

man es ihm später vergelten; wenn nein, gäbe es kein Später<br />

mehr. Er machte einen Satz zur Seite und zertrat <strong>mit</strong> aller Kraft<br />

den Pflug. <strong>Das</strong> Holz splitterte, die Schwerter waren fast frei.<br />

Teufel schnaubte überrascht und tänzelte zwei Schritte vor,<br />

im Schlepptau das Geschirr und zerfaserten Holzbruch. Nik<br />

war fast überrascht, dass das Holz und nicht seine Knochen<br />

entzwei gegangen waren. Aus dem Augenwinkel bemerkte er<br />

jetzt wieder mehrere dunkle Schemen im Wald. Gleich wären<br />

sie hier! Nik ließ sich auf die Knie fallen, ignorierte den stechenden<br />

Schmerz in der Hüfte, und riss ein rostfleckiges, auf<br />

Armlänge abgebrochenes Schwert aus dem Wust aus Draht<br />

und Holz.<br />

„Nik!“ Er hörte wie Arden herbeigeeilt kam. Und sie war<br />

erzürnt.<br />

„In das Haus, schnell!“ brüllte er, wähnte sich plötzlich

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