Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
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N E M E S I S<br />
Die Apokalyptiker sind der Alptraum des gewöhnlichen, frommen<br />
Purgers: Der anarchischen Lebensfreude, die in Drogenkonsum<br />
und Hurerei ihren Ausdruck findet, begegnet man <strong>mit</strong><br />
Widerwillen und offener Feindschaft. Die Patriarchen sehen<br />
in den losen Moralvorstellungen des Kults einen Prüfstein für<br />
den Zusammenhalt der Familie, der nur allzu leicht die Schwachen<br />
straucheln lässt. Niemand lässt sich in Purgare nachsagen,<br />
er sei schwach und würde der Familie Schande bringen, aber<br />
den Apokalyptikern gehen sie dennoch aus dem Wege.<br />
Die Angst vor den eigenen Lüsten wandelte sich schon im<br />
letzten Jahrhundert in eine handfeste Abneigung gegen die<br />
Zugvögel. Petitionen an die Täufer in Domstadt, den fremden<br />
Kult als Vereinigung der Demiurgen-Anhänger zu verfolgen,<br />
werden von den Patriarchen regelmäßig vorgetragen. Die<br />
Engstirnigkeit ihrer purgischen Brüder und Schwestern teilt<br />
man in Borca allerdings nicht. Hier finden die Dienste der<br />
Apokalyptiker durchaus ihre Abnehmer – ein Heer von tausend<br />
Wiedertäufern bei guter Moral zu halten, bedarf mehr als<br />
kerniger Parolen und verklärter Heilsbotschaften.<br />
D I E A U S E R W Ä H LT E N<br />
Die Wiedertäufer stellen die mächtigste Fraktion in der adriatischen<br />
Tiefebene. Sie sind der Bevölkerung Fluch und Segen<br />
gleichermaßen: Ihren Bauernheeren ist es zu verdanken, dass<br />
sich heute Kornfelder im Wind wiegen, wo gestern noch wilde<br />
Steppen und Sümpfe das Land unter sich aufteilten. Sie geben<br />
Trost und schenken den Menschen eine starke Gemeinschaft.<br />
Hoffnung auf Regeneration, Ausblick auf das Paradies auf<br />
Erden, Rückeroberung des Westens – das ist das Herzblut, das<br />
Purgare am Leben hält. Doch die Wiedertäufer lassen das Volk<br />
nicht vergessen, bestärken es in ihrem Glauben, auserwählt zu<br />
sein. Die Purger können sich nicht lossagen, um einen eigenen,<br />
friedfertigen Weg zu beschreiten.<br />
Viele Purger sehen sich als ein Volk <strong>mit</strong> einer Mission. Sie<br />
halten verbissen am Schmerz fest, suchen und brauchen ihn<br />
für den ewigen Kampf. Jedem gefallenen Ahn gedenkt man,<br />
trägt seine Knochen an Feiertagen durch die Dörfer oder ruft<br />
ihn in Stunden der Not an, was untypisch für den neognostischen<br />
Glauben der Wiedertäufer ist, der den Tod als Möglichkeit<br />
zur Erleuchtung predigt. Und Erleuchtete kehren nicht<br />
zurück, um sich <strong>mit</strong> Sterblichen einzulassen.<br />
Die gläubige Bevölkerungsschicht der Purger ist nicht stolz<br />
auf die kriegerischen Erfolge gegen Balkhaner und Psychonauten<br />
oder auf technische Errungenschaften, sondern vielmehr<br />
auf ihren Stand als Bewahrer ihres Landes und einer Tradition,<br />
von der sie nicht wissen, dass es nicht ihre eigene ist. Sie sehen<br />
sich als die Auserwählten am Höllenschlund, Auge in Auge <strong>mit</strong><br />
dem Geschmeiß des Demiurgen. Auserwählt, die Dämonen<br />
zurück in den Abgrund zu treiben, dem sie einst entsprangen.<br />
Ihr Opfer werde die Menschheit dereinst läutern, so sagen sie.<br />
Und so sagten es ihnen auch die frühen borcischen Wiedertäufer.<br />
<strong>Das</strong> Nachplappern hat kein Ende gefunden.<br />
Ihr selbsternannter Status als Auserwählte hatte zur Folge,<br />
dass sie das eigene Handeln selten nur hinterfragten. Jeder, der<br />
sich ihnen in den Weg stellte, wurde zu einem Ketzer vor dem<br />
Herrn erniedrigt. So erging es auch den Balkhanern: Sie verweigerten<br />
den Purgern die Landnahme und wurden da<strong>mit</strong> zu<br />
Botschaftern des Bösen, die es auszumerzen galt. Mensch oder<br />
Psychonaut – das Böse bedient sich vieler Gesichter.<br />
Blickt man auf Purgare, könnte man meinen, das ganze<br />
Volk sei mobilisiert, die Diener des Demiurgen ausfindig zu<br />
machen und auszurotten. Tatsächlich bedienen sich viele Purger<br />
des Glaubens wie eines gewöhnlichen Werkzeugs, um nicht<br />
aufzufallen oder um sich in den Reihen der Wiedertäufer um<br />
Macht und Ansehen zu bemühen. Ist man aufmerksam und<br />
bedenkt die richtigen Leute <strong>mit</strong> den richtigen Grußformeln,<br />
lässt man sich hin und wieder bei einer Predigt auf dem Marktplatz<br />
sehen, so kann man selbst als vermeintlich Auserwählter<br />
ein gewöhnliches Leben führen, bestehend aus harter Arbeit,<br />
gelegentlichen Freuden und ohne Feindkontakt.<br />
F A L S C H E S S P I E L<br />
Nicht nur die Wiedertäufer konnten sich ihren Claim abstecken<br />
in Purgare. Auch die Spitalier verstanden es, zu einem<br />
wichtigen Faktor innerhalb des Landes zu werden. So unterhalten<br />
sie hervorragend ausgestattete Lazarettstädte am westlichen<br />
Adria-Ufer und unterstützen die Purger seit Jahrzehnten<br />
im Kampf gegen die Balkhaner.<br />
Die wahren Gründe für die medizinische Hilfe sind weniger<br />
redlich, als es scheint und sich dem purgischen Volk darstellt:<br />
Sie benötigen einen Brückenkopf in den Balkhan, um<br />
die dortigen Sporenfelder überwachen zu können. Hunderte<br />
Preservisten verschwanden bislang in dem unwirtlichen Land,<br />
ihre Überreste fand man später gepfählt an den Grenzen der<br />
Voivodate. Andere Spitalier wurden vollkommen verwirrt<br />
aufgegriffen. Sie sprachen in Zungen – unverständliches<br />
Gebabbel und Ausdruck eines unheilbaren Wahns. Soviel<br />
auch geschehen sein mag, man hält den Balkhanern zugute,<br />
dass sie nicht wissen, was sie tun. Denn sie sind Opfer der<br />
Dushani, jener verfluchten Psychonauten des Balkhans, die<br />
<strong>mit</strong> ihrem Sirenengesang das Volk in ihren Bann schlagen.<br />
Solange die Einheimischen die Dushani schützen, haben die<br />
Spitalier keine Handlungsfreiheit. Die Purger sollen die Dämme<br />
brechen.<br />
Z W I E S PA LT<br />
Festungen aus rostigem Stahl dümpeln in den stinkenden<br />
Häfen West-Purgares. Schwere Trucks auf mannshohen,<br />
grobstolligen Reifen donnern über Metallbrücken an Land,<br />
zittern vor gebändigter Kraft. Sie warten auf den Befehl zum<br />
Aufbruch, den heiseren Schrei eines Neolibyers.<br />
Sie strafen den Mythos Lügen, der die Purger im Glauben<br />
lässt, im Westen könnten nur die Entseelten bestehen. Die<br />
Neolibyer benutzten diesen Ort schon vor Jahrzehnten als<br />
Ausgangspunkt für ihre Unternehmungen in Purgare; auf den<br />
Ruinen Roms errichteten sie eine ihrer ersten Schrotterstädte.<br />
In den Anfängen scharten sich Zehntausende dort, doch später,<br />
als man sich zu ertragreicheren Gebieten umorientierte,<br />
verkam die Siedlung zu einer Geisterstadt, deren Ladedocks<br />
nur noch von einer Handvoll Einheimischer instand gehalten<br />
wurden. Ganz in Vergessenheit geriet Rom aber nie: Heute<br />
dient es als Anlaufstelle für neolibyische Drangpanzer, die für<br />
das östliche Borca und Purgare bestimmt sind.<br />
Die Purger haben den Africanern gegenüber ein zwiespältiges<br />
Verhältnis. Einerseits sehen beide Völker in den Balkha-<br />
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