Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
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wahren ihn davor, sich gegen die Ketten der Gemeinschaft zu<br />
stemmen. Die Demütigung, die er Tag um Tag erfährt, wendet<br />
er in der Schlacht gegen seine Gegner: Entfesselt wirft er sich<br />
in die feindlichen Reihen, schlägt <strong>mit</strong> seinem Krummsäbel blutige<br />
Schneisen. Seine Wildheit ist legendär. Selbst die Geißler<br />
meiden den offenen Kampf <strong>mit</strong> einem Haufen Ismaeli. Sie<br />
sind die Schwerter Jehammeds, töten jeden Ungläubigen im<br />
Namen des letzten Propheten.<br />
Doch was sie an Kampfgeist aufbringen, muss ein Isaaki<br />
übertrumpfen. Er ist der Anführer des Schlachtenhaufens<br />
– und von ihm verlangt man das Unmenschliche: Er reitet<br />
vorweg, stürzt sich in die aussichtslosesten Kämpfe, hat sein<br />
Leben gegen das des niedersten seiner Kämpfer zu opfern.<br />
Sein Tod ist die Fackel, die den Zorn seiner Truppen entfacht.<br />
E I K O N E N<br />
Wie Abraham <strong>mit</strong> Gott um den Erhalt der sündigen Städte<br />
Sodom und Gomorrah feilschte, feilschen die Eikoniden um<br />
die Zukunft der Jehammedaner.<br />
Der Eikonide zieht sich dazu in seine Gemächer zurück,<br />
entzündet Weihrauch und Sandelholz. Dann wäscht er sich gestreng<br />
der alten Riten die Füße und trocknet sie gründlich ab.<br />
An einem Samowar füllt er zwei Tassen <strong>mit</strong> gezuckertem Tee<br />
und bringt diese an einen niedrigen runden Tisch in der Mitte<br />
des Raums, stellt eine Tasse dorthin, wo er sitzen wird und<br />
die andere ihm gegenüber, wo sein imaginärer Handelspartner<br />
Platz nehmen wird. Mit einem leisen Singsang, der die Taten<br />
Gottes preist, wird ER hereingebeten. Der Eikonide wartet geduldig.<br />
Manchmal Stunden. Manchmal Tage. Versenkt sich im<br />
Selbst. Bis er Gott gewahr wird. Dann trägt er eine kleine, <strong>mit</strong><br />
Goldintarsien verzierte Kiste herbei, platziert sie in der Mitte<br />
des Tischs und öffnet sie. Eingeschlagen in Samt befindet sich<br />
dort eine so genannte Eikone – sie symbolisiert den Handel.<br />
Der Eikonide erklärt dem HERRN, wofür sie steht: Der Schädel<br />
eines im Maschinengewehrfeuer zerrissenen Jehammedaners<br />
deutet den Wunsch an, eine Geißler-Stellung <strong>mit</strong> Tod<br />
und Vernichtung zu strafen; <strong>mit</strong> der abgetrennten Hand eines<br />
Diebes drängt der Eikonide auf Ruhe und Ordnung in einem<br />
aufständischen Dorf; über einem Stück Beton aus Tripol verhandelt<br />
man über eine Flutwelle, um die sündige Stadt zu bestrafen;<br />
ein zerborstenes Schwert soll den verloren geglaubten<br />
Isaaki zurück in den Tempel der Gemeinschaft führen.<br />
Der Eikonide lässt sich nieder und führt all die Opfer auf,<br />
die er und seine Sippe bringen mussten. Wie Geldscheine<br />
zählt er sie ab, erkauft sich da<strong>mit</strong> den symbolischen Wert der<br />
Eikone. Meist endet der Handel da<strong>mit</strong>, dass greise Saraeli den<br />
bewusstlosen Eikoniden an die frische Luft schleppen und ihn<br />
dort zu Besinnung kommen lassen. Schlaf- und Nahrungsmangel<br />
haben ihn gezeichnet, für Tage wird er sich ausruhen<br />
müssen.<br />
Dann heißt es warten und beobachten. Hat er den Handel<br />
für sich entschieden? Und was sind SEINE Bedingungen<br />
und Einschränkungen? Es liegt an dem Eikoniden, die an ihn<br />
durch Boten herangebrachten Ereignisse zu deuten. Wird aus<br />
der Flutwelle ein verheerender Regen? Stirbt der Anführer der<br />
Revolte durch die Hand seiner Bettgespielin? Bedarf es der<br />
Schwerter Jehammeds, um Gottes Willen an der Geißler-Stellung<br />
durchzusetzen?<br />
Meist dauert es Monate oder Jahre, bis die Sippe Gewissheit<br />
hat. Wurde der Handel erfüllt, so wird die Eikone zur Reliquie<br />
erhoben. Wurde er abgelehnt, wird ER seine Gründe gehabt<br />
haben, den Wunsch des Eikoniden abzuschlagen. Der Eikonide<br />
selbst wird die Eikone an einen geheimen Ort tragen und<br />
erst Jahre später hervorholen, um Gottes wahren Willen zu<br />
ergründen.<br />
.<br />
D I E W O R T E J E H A M M E D S<br />
Viele Jehammedaner sind der Schriftsprache nicht mächtig.<br />
Die jungen Jahren verbringen sie als Ismaeli <strong>mit</strong> den Herden<br />
auf der Weide und finden kaum die Zeit, lesen und schreiben<br />
zu lernen. Wer sich dennoch dieser alten Kunst widmet, wird<br />
nicht selten als Nichtsnutz beschimpft, der das Vertrauen<br />
seines Abrami ausnutzt und seine Arbeit anderen aufbürdet.<br />
Auch später, wenn er als Familienoberhaupt die Muße hätte,<br />
wird er es ablehnen, sich wie ein kleines Kind von einem<br />
Schriftgelehrten belehren zu lassen. Und dennoch wird er die<br />
Worte des Jehammeds auf Papier begehren und gegen Dutzende<br />
seiner Ziegen und Schafe eintauschen, sollte sich die<br />
Gelegenheit ergeben.<br />
Jehammed selbst gilt als der Verfasser der Schriftrollen<br />
Der Letzten Tage, zwei bis vier Meter langen Schriften auf<br />
faserigem, aber gut erhaltenem Papier, die zusammengerollt in<br />
polierten Messingröhren aufbewahrt werden. Nur der Abrami<br />
und seine Isaaki dürfen Einblick nehmen in die heilige Schrift,<br />
und auch wenn sie die Worte nicht verstehen, so grämt es sie<br />
nicht, denn den wahren Glauben trägt man im Herzen, nicht<br />
geschrieben auf altem Papyrus. Doch der Nutzen der Schriftrollen<br />
ist unbestreitbar: Eikoniden werden bei der Familie einkehren,<br />
um die Worte Jehammeds zu studieren oder Abschriften<br />
zu fertigen. Der Glanz dieser verehrten Jehammedaner<br />
wird auf den Abrami niederregnen wie göttliches Manna und<br />
ihm dazu verhelfen, ein angesehener Mann zu werden.<br />
L A M M F L E I S C H U N D<br />
T I N K T U R E N<br />
So sehr die Jehammedaner auch in ihrer vergeistigten Weltsicht<br />
gefangen sind und dieser durch starre Traditionen Tribut zollen,<br />
so können sie doch nicht verhehlen, dass sie noch immer<br />
äußerst weltliche Viehhirten sind. Denn die Herde steht seit eh<br />
und je im Mittelpunkt des Lebens; ein Abrami ernährt durch<br />
seine Schafe und Ziegen die Familie. Je größer und gesünder<br />
die Herde, umso mehr Ismaeli kann der Stammesvater in die<br />
Welt setzen, um seinen Reichtum und Einfluss zu mehren. Kinderreichtum<br />
galt den Jehammedanern schon immer als Gnade<br />
Gottes; dergestalt gesegnete Abrami genießen hohes Ansehen<br />
im Kult. Selbst wenn sie der Gemeinschaft keine Isaaki schenken,<br />
so stärken sie doch die Ränge der Heerscharen.<br />
Ohne die Herde wäre dies nicht möglich. <strong>Das</strong> Fleisch der<br />
Tiere stärkt die Familie, die Milch stillt den Durst der Kinder,<br />
aus dem Fell spinnen die Hagari Wolle für Stoffe. <strong>Das</strong> Fett<br />
wird zu Kerzen oder Fackeln verarbeitet, aus den Gedärmen<br />
fertigen die Ismaeli Sehnen für Bögen. Extrakte aus den<br />
Organen werden von den Alten <strong>mit</strong> Kräutern zu Tinkturen<br />
vermengt, die den Schwertern Jehammeds Kampfes- und den<br />
Abrami Manneskraft geben sollen.