Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
V E R L O R E N E K I N D E R<br />
<strong>Das</strong> Volk der Anubier ist uralt. Über Jahrtausende lebte es<br />
Seite an Seite <strong>mit</strong> den Hochkulturen Africas. Als die Anubier<br />
schließlich in die Verbannung gingen, blieben einige zurück.<br />
Sie tauchten in den Metropolen dieser Zeit unter, vermischten<br />
sich <strong>mit</strong> Nubiern, Hethitern, Assyrern und Ägyptern. Ihre eigene<br />
Kultur vergaßen sie, als sie <strong>mit</strong> der neuen Gemeinschaft<br />
verschmolzen. Trotzdem finden sich noch heute Reste des<br />
anubischen Lebensstrangs in den Nachfahren der Nordafrikaner<br />
und Asiaten – und die Anubier suchen nach ihnen.<br />
Der Kult nutzt dazu den Finger des Anubis, einen hohlen,<br />
kunstvoll <strong>mit</strong> Kreis- und Spiralgravuren verzierten Knochen<br />
von der Länge eines Unterarms. Angeblich gibt es mehrere<br />
Hundert dieser Artefakte, und sie alle sind gelb vom Alter. Der<br />
Legende nach ist der Knochen <strong>mit</strong> Schakalsgalle gefüllt, <strong>mit</strong><br />
welcher sich die Kinder des Anubis vom Rest der Schöpfung<br />
unterscheiden lassen. Ritzt man die Haut eines Africaners <strong>mit</strong><br />
dem Anubisfinger, so wächst einem wahren Nachfahr von<br />
Sonnenaufgang zu Sonnenuntergang ein fingernagelgroßes<br />
Ekzem: <strong>Das</strong> Anubis-Mal. Solcherart gezeichnete Africaner<br />
sind von ihrer Herkunft her dazu bestimmt, den Weg des<br />
Anubis zu beschreiten.<br />
T O D U N D W I E D E R G E B U R T<br />
Ein anubischer Totenführer, <strong>mit</strong> traditionell geschwärztem<br />
Leib und Totenmaske, nimmt sich des Initianten an. Gemeinsam<br />
ziehen sie zu einer der vier großen Katakomben<br />
Africas, wo der Initiant in die Tiefe steigt. Dort unten in der<br />
Finsternis, umgeben von den Knochen seiner Ahnen, muss er<br />
so lange existieren, bis er die Brücke zwischen Leben und Tod<br />
überquert. Er zehrt von den Käfern und dem Leichenfleisch,<br />
das man ihm durch Lüftungsschächte hinunterstößt, schlingt<br />
fauligen, <strong>mit</strong> Drogen durchsetzten Brei in sich hinein. Die Geräusche<br />
aus der Dunkelheit, verstärkt durch die in ihm schwelende<br />
Vergiftung, drängen ihn an den Rand des Wahnsinns.<br />
Wie ein Geist stolpert er durch die steinernen Eingeweide der<br />
Katakomben, wird angestarrt von den Schädeln – bis seine<br />
Menschlichkeit weggebrannt ist und er Anubis gegenübertreten<br />
kann. Die Visionen sind furchterregend, doch der neue<br />
Anubier hat sich in sie ergeben. Seine Schreie verebben, er<br />
sinkt in sich zusammen und spürt, dass seine Welle ausläuft.<br />
Doch sterben lässt ihn der Totenführer nicht.<br />
Der Initiant wird zurück ans Licht geschleppt, <strong>mit</strong> duftenden<br />
Ölen einbalsamiert und schließlich wie eine Mumie bandagiert.<br />
Drei Tage verbleibt er in dieser Stellung, bewegungslos.<br />
Die Öle ziehen das Gift aus ihm, die Hitze schwemmt es aus.<br />
Man flößt ihm durch einen Strohhalm viel Wasser ein, Liter um<br />
Liter. Am vierten Tag nach seinem symbolischen und fast auch<br />
körperlichen Tod kehrt er aus der Welt der Geister zurück in<br />
die Welt der Lebenden: Der Totenführer befreit ihn von den<br />
Bandagen und begrüßt den noch schwachen Anubier als einen<br />
in Anubis Wiedergeborenen.<br />
S Y M B O L I K<br />
In den ersten Jahren nach der Wiedergeburt wird der neue<br />
Schamane von seinem Totenführer in den Regeln und Künsten<br />
des Kults unterrichtet. Er lernt die alten Begräbnisriten kennen,<br />
studiert die Bedeutung der Insekten und Spinnen. Tagelang<br />
wandert er durch die Randbereiche der Psychovoren, lauscht<br />
dem Wispern der Blätter ebenso wie dem Wispern der Ahnen.<br />
Die Anubier sind ein Kult <strong>mit</strong> einer ausgeprägten Symbolik:<br />
Kreiszeichnungen auf der Stirn, um den Bauchnabel, auf<br />
Schultern und Handrücken stehen für die Wellenringe, auf<br />
denen man Richtung Tod dahingetrieben wird, aber auch für<br />
die von Anubis geschaffene Welt. Ihre Gesichter und Leiber<br />
färben sie <strong>mit</strong> schwarzem Baumharz – der Farbe ihres Gottes.<br />
Zusammen <strong>mit</strong> der Schakalsmaske sehen sie eindrucksvoll und<br />
gebieterisch aus, und so mancher Africaner sinkt vor ihnen <strong>mit</strong><br />
gesenktem Kopf in den Staub.<br />
Als Fokus für Meditation und als Instrument zur Weissagung<br />
tragen sie Schädel und Knochen <strong>mit</strong> sich, oftmals <strong>mit</strong><br />
den vergessenen Hieroglyphen ihrer Vorfahren verziert. <strong>Das</strong><br />
Sichelschwert führen sie in den Kampf, durchtrennen da<strong>mit</strong><br />
unwürdige Lebensringe und stellen die Perfektion der anubischen<br />
Lebenswelle wieder her.<br />
Der Mythologie des Kults nach wohnt den alten Symbolen<br />
Wissen inne. Noch junge und unerfahrene Schamanen kleiden<br />
sich daher in reich verzierte Gewänder und bemalen ihre<br />
Körper nach alter Tradition. „Was man nicht im Geiste trägt,<br />
muss einem auf Haut und Gewändern stehen“ lautet eine<br />
Redewendung der Africaner. Tatsächlich tauschen erfahrene<br />
Kultanhänger ihre prächtigen Gewänder gegen einfachere<br />
Tücher ein und verzichten auf Teile ihrer Körperbemalung.<br />
Die Totenschädel legen sie zurück in die Gräber, denen sie sie<br />
entnommen hatten. Die Weisen schließlich zeichnet äußerlich<br />
nichts mehr als Anubier aus – <strong>mit</strong> ihrer Landkarte des Wissens<br />
im Geiste haben sie sich längst in die Tempel des Kults<br />
zurückgezogen.<br />
D I E S I E B E N K R E I S E<br />
Die meisten Körperzeichnungen sind zwar reich an Symbolik,<br />
doch sie machen keine Aussage über den Schamanen. Anders<br />
ist dies bei den sieben Kreisen auf seinem Bauch, die er ständig<br />
nachzeichnen muss, da sie <strong>mit</strong> Henna aufgetragen werden.<br />
Die Kreise beschreiben die Hierarchie der Anubier: Auf dem<br />
äußersten Ring bewegen sich die gerade initierten Schamanen.<br />
Werden sie von einem wandernden Hohepriester, einem so genannten<br />
Hogon, für würdig erachtet, verlassen sie symbolisch<br />
ihren alten Lebenszyklus und dringen tiefer in die Geheimnisse<br />
der Welt vor. Sie sind jetzt näher an der Sonne ihres Geistes, an<br />
Anubis. Fortan werden sie sich nur noch sechs Ringe auf den<br />
Bauch malen. Ihr Ansehen ist gestiegen, ihre Aufgaben ändern<br />
sich nicht. Man sagt, Hogons seien allesamt auf dem dritten<br />
Kreis. Darüber hinaus ist nichts bekannt.<br />
K N O C H E N H Ä U S E R<br />
<strong>Das</strong> africanische Volk verehrt und fürchtet die Anubier gleichermaßen.<br />
Die Schamanen sind Einzelgänger, die fernab des<br />
Dorftrubels Ruhe auf Friedhöfen oder alten Schlachtfeldern<br />
suchen. Wie die Schakale streichen sie zwischen den Gräbern<br />
umher und stehlen die Gebeine, die sich ihnen entgegenrecken<br />
– errichten aus ihnen schließlich Knochenhäuser, in denen sie<br />
leben und ihre Mixturen fertigen, bis sie sterben oder in die<br />
verbotene Stadt Kairo berufen werden.<br />
161