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Das vollständige Grundregelwerk mit satten 380 Seiten! - Degenesis

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dert ihn davon. Gräbt, hechelt. Rohre und schwarze Schläuche<br />

wie Schlangen werden freigelegt. Immer weiter. Sie münden in<br />

einen metallischen Korpus, versehen <strong>mit</strong> vergessenen Schriftzeichen.<br />

Ein Fund! Mit einem letzten Kraftakt reißt sie den<br />

sechshundert Jahre alten Generator aus seiner brüchigen Verankerung,<br />

zerrt ihn aus den Ruinen des Pumpenhäuschens und<br />

hinüber zu Thor, dem Mammut. Für das Tier ist der Generator<br />

nur eine lästige Klette mehr, von der man es spätestens in zwei<br />

Tagen in der nächsten Stadt befreien wird.<br />

* * *<br />

Mensch und Tier – sie sind nicht die einzigen hier draußen. Drei<br />

Häuserblocks weiter hat sich ein Schrotter seiner äußeren Kleidung<br />

entledigt, um über ein enges Loch in einen alten Keller<br />

vorzustoßen. Zwei Wegstunden entfernt verhungert eine junge<br />

unerfahrene Schrotterin <strong>mit</strong> gebrochenem Bein in einem Kanaltunnel,<br />

in den sie gestürzt war, als die Fahrbahndecke unter<br />

ihr nachgab. Tausende ihrer Profession und Berufung durchkämmen<br />

in diesem Moment die Ruinen Europas nach wertvoller<br />

Technik oder tödlichen Waffen. Wie seit Jahrhunderten.<br />

Doch sie gehören einer gefährdeten Art an. Andere kommen<br />

aus dem fernen Süden, jenseits des großen Wassers und drohen<br />

dem alten Schrottertum den Rang abzulaufen. Die Fremden<br />

reisen in Gruppen, fallen in stinkenden Transportern über das<br />

Land her und rauben ihm kurzzeitig die Einsamkeit und dauerhaft<br />

die Artefakte. Sie sind laut und scherzen, sind das genaue<br />

Gegenteil der verschwiegenen und verschrobenen europäischen<br />

Schrotter. Ihre Haut ist schwarz. Es sind Africaner.<br />

V E R L O R E N E S W I S S E N<br />

Die Städte des Urvolks waren entvölkert. Was blieb, waren die<br />

verfallenen Zeugnisse einer Hochkultur, die sich als verbogene<br />

Stahlträger und brüchige Mauerreste trotzig in den Himmel<br />

reckten. Dazwischen häuften sich Dünen aus roter Kraterasche,<br />

zermalmten Betontrümmern und Knochensplittern.<br />

Verrottende Kleidungsstücke flatterten entmutigt im Wind.<br />

Ein neuer Typ Mensch sollte sich aus dem Staub erheben: Der<br />

Schrotter. Er floh nicht vor den flirrenden Aschewolken und<br />

ließ sich auch nicht von der allgegenwärtigen Zerstörung entmutigen.<br />

Mit kühnem Blick musterte er die Ruinen, ignorierte<br />

die bleichen Knochen seiner Vorfahren und grub <strong>mit</strong> bloßen<br />

Fingern im Dreck, um schließlich eine metallisch glänzende<br />

Gerätschaft ans Tageslicht zu zerren. Artefakte des Urvolks.<br />

Noch kannte man ihre Funktion, konnte sie benennen und<br />

benutzen. Noch schmiss man vieles wieder weg, das Jahrhunderte<br />

später als Schatz gehandelt werden würde.<br />

In den harten Jahren nach dem Eshaton traf man Schrotter<br />

unter vielen Namen an: Schatzsucher, Glücksritter, Mechaniker<br />

oder Sucher nannte man sie. Es waren Männer und Frauen, die<br />

sich ihrer Gemeinschaft verpflichtet sahen und in die unwirkliche<br />

Außenwelt auszogen, um Ersatzteile für lebensnotwendige<br />

Aggregate heranzuschaffen. Man hatte keine Zeit und keine<br />

Geduld, seine Hoffnungen auf den Erfolg eines Einzelnen<br />

zu setzen, und so schwärmten Dutzende aus, taumelten wie<br />

Papierfetzen aus einem umgestoßenen Mülleimer durch die<br />

staubige Ebene. Viele Gefahren warteten auf die Entsandten:<br />

Einsturzgefährdete Gebäude, leckende Gas-Tanks und marodierende<br />

Gangs kreuzten ihre Wege. Es war eine neue Welt,<br />

in der nur Platz für die Stärksten und Gerissensten war. Die<br />

Schrotter hatten einen hohen Blutzoll zu entrichten, denn sie<br />

waren die ersten, die das Land in seiner frühen, ungezügelten<br />

Natur erleben mussten.<br />

Nach und nach zerbrachen viele der nacheshatologischen<br />

Zweckbündnisse an inneren Zerwürfnissen. Hochstapler<br />

spielten sich zu Führern auf, wurden gestürzt und flohen <strong>mit</strong><br />

ihren Anhängern in eine ungewisse Zukunft. Man buhlte um<br />

die Gunst der Schrotter, waren es doch die einzigen, die sich<br />

in der Außenwelt auskannten, bot ihnen Nahrung und Unterkunft.<br />

Doch die langen, einsamen Wochen in den Ruinen<br />

entfremdete sie langsam von den anderen Überlebenden. All<br />

das Gejammer in den Dörfern und die Abhängigkeit von funktionierenden<br />

Gerätschaften war ihnen zuwider. Sie belieferten<br />

die Camps, Dörfer und Städte, doch ihre Heimat war längst<br />

dort draußen in der Kälte.<br />

Eine ähnliche Entwicklung spielte sich zur gleichen Zeit in<br />

Africa ab. Die großen Küstenstädte waren von den Flutwellen<br />

zerstört worden und der Wiederaufbau war in vollem Gange.<br />

Viel war nicht aus den Trümmern zu retten. Man blickte abschätzend<br />

über das Mittelmeer, spekulierte und diskutierte im<br />

Kreis der Sippe, ob sich eine Unternehmung lohnen würde.<br />

Schließlich sammelte man sich und stach in See, <strong>mit</strong> Ziel Franka.<br />

Auch hier waren die Küstenregionen verheert, doch das<br />

Hinterland glich einer Schatzgrube: Stahlträger, Generatoren,<br />

Werkzeuge und anderer Handwerkerbedarf fanden schnell ihren<br />

Weg auf die africanischen Baustellen. Bald schleppte man<br />

Fahrzeuge und diverse Technik auf die wuchtigen Transportschiffe,<br />

noch später demontierte man frankische Produktionsstätten<br />

und verschiffte sie in Einzelteilen. Africa gedieh, während<br />

Europa in einer Abwärtsspirale gen Steinzeit trudelte.<br />

D I E G I E R N A C H D E R<br />

V E R G A N G E N H E I T<br />

Europa. Die Jahrhunderte zogen ins Land. Die Artefakte waren<br />

Gegenstände der Bewunderung, sie zu bedienen nur einigen wenigen<br />

Kulten vorbehalten. <strong>Das</strong> Wissen um Elektrizität und einfache<br />

mechanische Gerätschaften drohte dem Vergessen anheim<br />

zu fallen. Es waren schwere Zeiten für Schrotter, wahrscheinlich<br />

die schwersten. Die Nachfrage ging zurück, eine Stahlstange war<br />

mehr wert als ein eingeschweißter Laptop. Doch ganz gaben die<br />

Europäer die Artefakte nie auf: Sie klammerten sich an den Gedanken,<br />

<strong>mit</strong> ihnen den Untergang aufzuhalten. Sekten tauchten<br />

unver<strong>mit</strong>telt auf der Bühne des nacheshatologischen Europas<br />

auf und hatten so ganz andere Ansichten: Sie propagierten die<br />

den Relikten innewohnende Magie. Ihre Kulthallen glichen vorzeitlichen<br />

Schrottplätzen; es wurde angeschleppt und angebetet.<br />

Ihr Aberglaube zwang ihnen ein <strong>mit</strong>telalterliches Weltbild auf, in<br />

dem die rostigen oder spröden Geräte zu Reliquien eines goldenen<br />

Zeitalters verklärt wurden.<br />

Andere Sekten hatten eine genau entgegengesetzte Weltsicht:<br />

Hier waren die Artefakte verantwortlich für den Niedergang<br />

der Menschheit, galten als materialisierte Schlechtigkeit.<br />

Wer sie <strong>mit</strong> sich führte, wurde <strong>mit</strong> religiösem Eifer verfolgt.<br />

Schlechte Zeit und schlechter Ort für einen Schrotter.<br />

Aber nicht alle entwickelten eine dermaßen kultisch verbrämte<br />

Sicht der Dinge. <strong>Das</strong> Pendel schwang um in die andere<br />

Richtung. Einzelne Siedlungen verstanden es, die weniger<br />

komplexen Geräte wieder in Betrieb zu nehmen. Pumpen<br />

förderten Wasser; Benzin- und Dieselmotoren verbrannten<br />

die letzten Treibstoffreste, schenkten den Menschen Energie<br />

und Wärme.<br />

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